Dray Prescot 02-Die Sonnen von Scorpio
sofortige Antwort von Oberherren und Wächtern auf solche Behauptungen ein Schlag über den Kopf war. Doch Holly ging nicht einmal das Risiko ein. Sie bestand im allgemeinen darauf, daß die Männer unverzüglich auf die Galeeren geschickt wurden; wer zitterte hier nicht schon vor diesem einfachen Satz: ›Auf die Galeeren geschickt‹?
Als ich fragte, warum die verhaßten Oberherren und Wächter nicht sofort getötet wurden, sah mich Genal an, als hätte ich den Verstand verloren.
»Was?« rief er. »Sollen sie zu Genodras aufsteigen, um dort in Pracht zur Rechten Grodnos zu sitzen, ehe sie hier auf der Erde gelitten haben? Ich will wissen, daß sie leiden, ehe sie sterben und die grüne Pracht genießen dürfen.«
Ich schwieg.
Mich hatte als wichtiges Element in der Struktur des Auges der Welt beeindruckt, daß die Sklaven an die Gottheit der roten Sonne, Zair, glaubten, daß die Arbeiter aber, deren Glaube aus ganzem Herzen Grodno gehören müßte, in ihren Überzeugungen höchst nachlässig waren. Dieses Gefühl, daß der Tod sie befreien und ihre Paradieshoffnungen in der grünen Sonne erfüllen würde, war vielleicht ihr stärkster religiöser Zug.
Die Umgebung Magdags wurde von den Männern in Rüstungen terrorisiert. Außerhalb des eigentlichen Stadtbezirks und außerhalb der riesigen automatisierten fabrikähnlichen Farmen rissen die Oberherren alles an sich, was sie haben konnten. Mit ihren Galeeren und ihrer Kavallerie beherrschten sie das nördliche Küstengebiet. Es gab andere Städte an der Nordküste, doch keine erreichte annähernd Magdags Größe, Macht und Pracht.
Bisher hatte ich keine Zorcas oder Voves gesehen, die herrlichen Reittiere von Segesthes. Die Oberherren ritten ein sechsbeiniges Tier, das einem störrischen Muli ähnlich war, mit breitem Schädel, bösen Augen, spitzen Ohren und einem metallisch glänzenden blauen Fell, das sorgsam geölt und gebürstet wurde. Ich war mir nicht sicher, ob diese Wesen als Reittiere besonders geeignet waren, denn der Schrittrhythmus bei den sechs Beinen ist etwas unbeholfen und unbequem für den Reiter. Die Reiter dieser Stadt waren nicht mit Lanzen bewaffnet, sondern verließen sich auf ihre Langschwerter. Auch Pfeil und Bogen waren selten zu sehen. Die Reittiere, Sectrixes genannt, schienen mir zwar gute und ausdauernde Tiere zu sein, doch waren sie wohl nicht groß genug, um einem Klansmann genügend Platz für den Umgang mit seiner Axt oder seinem Breitschwert zu geben.
Magdag kam mir immer mehr wie eine einzige große Baustelle vor. Die Sklaven und Arbeiter und auch die freien Kunsthandwerker wohnten in winzigen Stroh- oder Lehmhütten an den Mauern der riesigen Gebäude. Diese Bauten waren reich geschmückt, mit Verzierungen aus Blattgold, Juwelen, Porphyr, Elfenbein und Marmor aller Art, der im Schein der Sonnen blitzte. Innerhalb der Sklavenbezirke, wo nur Schatten, Schmutz und Gerüche herrschten, war nur mit Lehm und groben Steinen gebaut worden. Die Ungleichheit war groß – größer noch als auf meiner Erde gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts.
Eines Tages vertraute uns Genal einen Plan an.
Nach einer zweitägigen Ruhepause schritten wir durch die Gassen des Sklavenbezirks. Wir hatten eine ganze Anzahl von Wächtern ›versorgt‹, und die Reaktion war wie üblich hart. Ein neuer Oberwächter war für unsere Gruppen – für die Abteilungen Pugnarses' und der anderen Aufseher – ernannt worden, ein gewisser Wengard, Oberherr zweiter Klasse. Seine Brutalität war allgemein bekannt. Als erstes hatte er Naghans Frau zu Tode peitschen lassen; ihr Leichnam war von hellem Blut überströmt, ihr Rücken bis auf die Knochen zerfleischt. Als Vergeltung war geplant, diesen Aufseher und seine gesamte Truppe umzubringen. Darauf wollten die Männer fliehen und in einem Hafen eine Galeere kapern – irgendeine Galeere in irgendeinem Hafen.
»Das gefällt mir nicht, Genal«, sagte ich.
»Mir auch nicht.« Er zog den Kopf ein, während wir uns der Ziegelei näherten. Ich spürte, daß ich wenig von den Verschwörungen wußte, die sich hier im Sklavenhort bilden mußten. Es mußte Gruppen, Klans, Sekten, Verbrecher und Erpresser geben – zu Tausenden. Die Person, die die neue Revolution anzuführen gedachte, war ein Fristle namens Follon. Ich mochte Fristles nicht. Sie waren keine Menschen. Sie hatten zwar zwei Arme und zwei Beine, doch ihre Gesichter waren katzenähnlich – mit langen Schnurrbarthaaren, Fell und Schlitzaugen. Außerdem
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