Dray Prescot 02-Die Sonnen von Scorpio
knallte sie zu. In der plötzlichen Dunkelheit spürte ich, wie sich ein dickes Netz von oben über mich legte. Ich hörte einen unterdrückten Aufschrei, als sich eine Horde Fristles auf mich stürzte.
»Haltet ihm die Beine fest!«
»Schlagt ihm den Schädel ein!«
»Tretet ihm ins Gesicht!«
Ich versuchte mich zu wehren, doch das Netz behinderte meine Tritte und Hiebe.
Ich sah einen Dolch blitzen – eine Waffe, wie wir sie dem dunklen Wächter abgenommen hatten, der mit Holly bumsen wollte. Ich erstarrte und entspannte mich wieder, bereit, alle Sinne auf diesen Dolch zu konzentrieren. Die Tür ging auf.
»Halt!«
Ich erkannte die Stimme nicht. Außerhalb meines Gesichtskreises flüsterte nun jemand hastige Befehle. Einige Worte bekam ich mit: »Soll er denn direkt zu Genodras auffahren und ruhmvoll zur Rechten Grodnos sitzen? Denkt nach, ihr Dummköpfe! Er muß dafür leiden, daß er uns verraten hat. Er soll es ewig bereuen, wenn er an den Rudern schwitzt. Auf die Galeeren mit ihm!«
Ich war dem Unbekannten nicht sehr dankbar. Der Tod – was war der Tod für einen Mann wie mich? Ich hatte ein tausendjähriges Leben gewonnen, als ich in das Taufbecken des Flusses Zelph tauchte, ein Zufluß des Sees, aus dem die Schwingende Stadt Aphrasöe erwächst. Der Gedanke war mir unvorstellbar gewesen, bis ich Delia aus den Blauen Bergen fand und erkennen mußte, daß zweitausend Jahre nicht ausreichen würden, all die Liebe zu erfüllen, die ich für sie empfand.
Es war meine Pflicht, am Leben zu bleiben, solange sie noch lebte. Aber die Galeeren! Doch meine Gedanken wurden unterbrochen. Der Sack, in den ich geschoben wurde, war grob, übelriechend und so eng, daß ich verzweifelt nach Atem rang. Ohne zu wissen, was mit mir geschah, wurde ich auf geheimen Sklavenpfaden von den Slums zu den Hafenanlagen Magdags geschafft.
Nach vielem Hin und Her warf man mich schließlich auf einen Holzboden, der sich in einem mir vertrauten Rhythmus bewegte. Ich lag auf einem Deck. Wieder einmal befand ich mich an Bord eines Schiffes. Wieder spürte ich den Willen der Herren der Sterne – oder der Savanti – einen Willen, den ich nicht verstand.
6
Die beiden Zwiebeln, die auf Zorgs schwieliger Handfläche lagen, waren nicht gleich groß. Eine war etwa acht Zentimeter dick, rund und glatt und mit langsam antrocknender Außenhaut. Wir wußten beide, daß das Innere süß und saftig sein würde. Die zweite Zwiebel wirkte wie ein Sklave neben seinem Herrn; sie war kleiner, nur etwa fünf Zentimeter dick und hatte eine harte Außenhaut – doch auch sie enthielt Nahrung.
Wir betrachteten die Zwiebeln, Zorg und ich, während die 40-Ruder-Galeere Grodnos Gnade durch die Wellen stampfte, das Segel über uns halb gefüllt mit einem kaum spürbaren, von achtern kommenden Wind. Ringsum erklangen die Geräusche des Schiffslebens, begleitet von den typischen Gerüchen. Die Doppelsonne Scorpios brannte uns gnadenlos auf die kahlgeschorenen Köpfe. Unsere groben konischen Strohhüte boten kaum Schutz. Natürlich ruhten die Oberherren Magdags oben auf dem Poopdeck – die Grodnos Gnade gehörte zu jenen Galeeren, die kein Achterdeck hatten – in Deckstühlen unter aufgespannten Sonnensegeln aus Seide und genossen kühle Getränke, frische Früchte und saftige Fleischbrocken. Unsere beiden nackten Begleiter auf der Bank hatten ihr Mahl bereits zwischen sich aufgeteilt – ihre Zwiebeln waren gleich groß gewesen.
»Die Wahl fällt schwer, Schreiber«, sagte Zorg aus Felteraz.
»In der Tat – ein schwerwiegendes Problem.«
Bis zum Frühstück am nächsten Morgen erhielten wir nichts mehr zu essen, und nur mit Wasser waren wir ausreichend versorgt; das lag daran, daß die Grodnos Gnade mit ihrem Quadratsegel und kühn vorspringenden Bug von den Winden begünstigt gewesen war. Wir würden noch an diesem Abend in Gansk anlegen und am nächsten Tag weiterfahren. Die Galeeren Magdags schlugen manchmal einen Kurs ein, der einige Tage lang aus dem Schutz der Küste und auf offene See hinausführte; doch das mochten die Schiffer nicht gern – sie zogen die Nähe der Küste vor.
»Wenn wir nur ein Messer hätten, mein Freund ...«
Zorg hatte abgenommen, seit ich ihn als Sklave beim Transport des Denkmals kennenlernte. Als ich ihn nach Beendigung meiner Ruderausbildung wiedergesehen hatte, gab ich mir sofort Mühe, in seiner Nähe zu sein, wenn die Rudermeister die Bänke besetzten. Jetzt waren wir schon fast eine ganze Jahresperiode
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