Dray Prescot 02-Die Sonnen von Scorpio
zu einem wilden, bizarren, entbehrungsreichen Leben, das ich keinem Menschen wünsche.
Viele Männer und Frauen sprachen von einem Aufstand – Sklaven und Arbeiter, sie alle sprachen von dem Tag, da sie sich gewaltsam von dem Joch befreien wollten. Ich glaube nicht, daß einer dieser Leute dabei über eine bloße Rebellion hinaus an eine wirkliche Revolution gedacht hat.
Vielleicht tue ich dem Propheten damit unrecht – ich weiß es nicht. Vielleicht wußte er damals schon von den wahren Idealen der Revolution im Gegensatz zur vom Zorn geborenen, unüberlegt spontanen, blutigen Reaktion eines Aufstands – denn er bewährte sich später hervorragend. Er wurde nur ›der Prophet‹ genannt; er mußte freilich auch einen Namen haben, der jedoch vergessen war, wie es oft bei Sklaven geschah, die von ihren Herren neu benannt wurden.
In den engen Slums im Hinterland der Stadt, außerhalb der vornehmen grauen Stadtteile, wo die Oberherren in Luxus lebten und sich in der Tageshitze von der Meeresbrise befächeln ließen, bewegte sich der Prophet mit sicherem Schritt und predigte. Er predigte, daß kein Mensch einen anderen versklavt halten dürfe, daß sich kein Mensch vor der Peitsche erniedrigen solle, ob Sklave, Arbeiter oder Freier, daß jeder Mensch Einfluß nehmen müsse auf das, was mit ihm in seinem Leben geschehe.
Ich begegnete ihm von Zeit zu Zeit in den Gassen des Sklavenbezirks, wenn er inmitten der Sklaven und Arbeiter stand und sie mit feurigen Worten antrieb, die jedoch mit mattem Blick und illusionslosem Achselzucken und dem Fortschieben aller Hoffnung aufgenommen wurden. Er war ständig auf der Flucht vor den Wächtern. Er war ein Mann, der bei den Arbeitern Mitleid und Zuneigung genoß, etwa wie ein blinder Hund, dem man sein Gnadenbrot gewährt. Er wurde also bewirtet und von einem Versteck ins nächste geschafft. In jenem Durcheinander aus alten Ziegel- und Steingebäuden, schrägen Dächern, schiefen Wänden und Türmen hätte sich eine Armee verlieren können. Die Wächter wagten sich nur in großen Gruppen in die Slums – und waren dennoch oft genug gefährdet.
Alle zwölf Tage durften die Arbeiter für zwei Tage in ihre Wohnungen in den Sklavenbezirken zurückkehren, obwohl sie oft versuchten, länger dort zu bleiben, bis sie von den Wächtern wieder aufgetrieben wurden. Bei diesen Gelegenheiten sprach der Prophet zu ihnen, versuchte ihre Begeisterung zu entflammen, ihr Phlegma zu überwinden.
Er war ein alter Mann, sogar nach kregischen Verhältnissen – ich schätzte ihn auf etwa hundertundachtzig Jahre. Sein weißer Haarschopf und sein weißer Vollbart waren auch auf Kregen die üblichen Merkmale des Alters, und die bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem üblichen Bild eines biblischen Propheten war reiner Zufall. Seine alten Augen richteten sich während des Sprechens scharf auf mich, seine Stimme war ein heiseres, durchdringendes Fanal, das auf eine Viertel-Dwabur zu hören war. Solche Männer sind auch auf unserer Erde bekannt.
Die Wächter, ob nun Menschen oder Ungeheuer, wagten sich normalerweise selten in den Sklavenbezirk, wenn sie nicht ausdrücklichen Befehl hatten. Holly, Genal und ich standen in einem Hauseingang und hörten dem Propheten zu, und auf den Gesichtern der beiden jungen Leute zeigte sich die innere Anteilnahme. Sie erkannten wenigstens einen Sinn in den Worten des Propheten. Im Flackerlicht der Fackeln schien die Masse der Arbeiter und Sklaven ringsum den Vortrag mehr als eine Unterhaltung aufzufassen; die Peitsche hatte ihnen jeden Willen genommen. Da ertönten plötzlich Schreie, entsetztes Kreischen, und das Trappeln beschlagener Hufe war zu hören, dann Waffengeklirr.
Eine Gruppe Männer in Rüstungen ritt aus einer Seitenstraße heraus und drängte johlend und brüllend auf die Menge ein. Sie gebrauchten ihre Schwerter. Blut spritzte. Der Prophet tauchte unter. Holly begann zu schreien. Ich packte sie am Arm, Genal ergriff sie von der anderen Seite – und wir verschwanden in dem Haus, vor dem wir standen. Als sich die krummen Bohlen hinter uns schlossen, dröhnte die Kavalkade draußen vorbei.
»Sie hatten's nicht auf den Propheten abgesehen«, sagte Holly schwer atmend und mit wildem Blick. »Sie machen das zum reinen Vergnügen – ein großes Jikai!«
Es war mir unangenehm, das Wort in diesem Zusammenhang zu hören. »Ja!« sagte Genal heftig. »Es ist wieder mal Zeit für sie, sich ihren Spaß zu machen!« Seine Stimme brach. »Ihren blutigen
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