Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
Tiers. Die anderen Männer aus den Blauen Bergen suchten sich Zorcas und Preysanys aus, und in langer Kette reitend ließen wir Hoch-Zorcady hinter uns.
Ich blickte zurück. Hoch-Zorcady! Der Name hatte einen guten Klang, er kündete von hohen Zielen. Der grimmige Berg ragte den Wolken entgegen, die Türme verschwanden im Nebel, Korfs kreisten um die befestigten Mauern – all dies wirkte wie ein steingewordenes Traumbild. Heute bedaure ich es, daß wir Hoch-Zorcady damals nicht besucht haben.
Aighos hatte vor, mich in das Schloß zu schmuggeln oder Delia herauszuholen – und dann weitere Pläne zu machen, sobald wir uns wiedergesehen hatten. Mir war alles recht, wenn ich nur endlich wieder meine Delia in den Armen halten konnte.
»Pur Dray«, sagte Aighos. »Wir werden im Dorf meines Vetters unterkommen. Ihr seid daran vorbeigeritten, ohne es zu sehen – so gut ist es versteckt.«
Und er hatte recht. Die Gebäude bestanden aus demselben Gestein, vor dem sie sich erhoben, und waren kaum zu sehen. Wir tranken starken kregischen Tee und aßen eine Spezialität der Berge – in Hibisummehl gerolltes Ponshofleisch, das dann drei Tage lang geröstet worden war –, dazu eine Taylyne-Sauce, in der das Fleisch einen weiteren Tag geschmort hatte. Hervorragend! Als gute Vallianer tranken wir dazu viel Wein. Eine Botin war losgeschickt worden, ein geschmeidiges junges Mädchen der Berge, das zur Tarnung ein Wäschebündel bei sich trug. Mit der Wäsche kam sie mühelos an den Wachen vorbei, und wenn sie erst in der Burg war, sollte sie von Freunden zu Delia gebracht werden. Ich mußte also warten.
Wir waren im größten Haus des Orts untergebracht, einem doppelstöckigen Gebäude, dessen schräge Dachsteine die anderen Häuser überragt hätten, wenn man sich nicht zum Teil den überhängenden Berg als Dach zunutze gemacht hätte.
Ich saß in einem geschnitzten Schwarzholzstuhl, der gut zweihundert Jahre alt sein mußte, und unterhielt mich mit den Männern. Ein seltsames Gefühl des Friedens erfüllte mich, mir war, als stünde die Zeit still. Ich war meiner Delia nun so nahe, daß sich all meine verzweifelten Bemühungen der letzten Wochen lächerlich ausmachten. Ich brauchte nur hier zu sitzen, zu essen und zu trinken und zu reden – und sie würde an der Tür erscheinen, welch ein herrlicher Augenblick.
In der Ecke stand ein Beidhandschwert, gut zwei Meter groß, von der Art, wie es auf der Erde im Mittelalter benutzt worden war. Wer dieses Schwert im Kampf führen wollte, mußte große Kräfte haben. Dieses Exemplar hatte einen lederüberzogenen Griff, breite Griffstangen und einen Samtschutz an der Klinge unmittelbar unter den Griffstangen. Zum Schutz der Hand, wenn sie hier kürzer fassen mußte, waren zwei halbe Griffstangen sauber in das Metall eingesetzt. Die Waffe war blank, doch als ich unauffällig mit dem Daumen probierte, stellte ich fest, daß die Klinge stumpf war.
»Das große Kriegsschwert der Blauen Berge«, sagte Korf Aighos. »Leider aus der Mode. Es gab eine Zeit, da unsere Männer durch die Täler stürmten und diese Kriegsschwerter schwangen, und niemand konnte ihnen widerstehen.«
Diese Männer hatten niemals ein Krozair-Langschwert gesehen. Im Vergleich zu einer solchen Riesenwaffe war ein Beidhänder der Krozairs geradezu ein zierliches Instrument.
Auf dem Weg vor der Hütte entstand plötzlich Lärm, und wir traten lachend und scherzend hinaus. Ein Mann lief schreiend vorbei, das Haar wehte ihm wild um den Kopf, und sein Gesicht war schweißüberströmt.
»Der Shorgortz! Der Shorgortz!«
Eine Frau kreischte, nahm ihr Kind an sich und rannte ins Haus und knallte die schwere Lenkenholztür hinter sich zu. Aighos ließ seinen Weinkrug fallen.
»Shorgortz«, sagte ich. »Sag mir, Korf, was ist das?«
»Du bist also doch noch kein Mann der Blauen Berge, Kr. Drak!«
»Bringt Feuer!« brüllte ein Mann.
»Sucht Schutz in den Hütten und betet!«
»Feuer!«
»Wenn ihr Fackeln anmacht«, sagte ich, »verratet ihr den Wächtern, wo wir stecken.«
»Lieber die Aragorn oder Söldner des Herrschers als die Shorgortz!« So schlimm stand es also ...
Ich durfte nicht zulassen, daß sie mit Fackeln herumliefen. Und wenn sich wirklich ein Ungeheuer da draußen herumtrieb und meine Delia zu mir unterwegs war ... Ich zögerte nicht. Ich ging ins Haus, packte das große Schwert, drängte mich an seinem protestierenden Besitzer vorbei und trat auf die Straße hinaus. Männer liefen durcheinander.
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