Dray Prescot 05-Der Prinz von Scorpio
sich von einem großen blaugefiederten Bergvogel ab. Der Bandit versuchte zu schlucken und faßte sich an den schmerzenden Hals. Ich war überzeugt, daß er Angst vor mir hatte – wie wenig wußte ich doch von den Gesellen der Blauen Berge, und wie stolz bin ich auf sie!
»Steh auf, Dom. Rufe Korf Aighos. Ich möchte mit ihm sprechen.«
Der Mann stand auf und zog sein Ponshofell zurecht. Darunter trug er ein Lederwams, und seine Muskeln hatten die geschmeidige Festigkeit, wie sie für einen Bergbewohner unerläßlich ist. Sein faltiges braunes Gesicht musterte mich mit frisch erwachender Arroganz.
»Nun brüll schon, Dom!«
Er schrie los.
Sofort kam Bewegung in die Gruppe der Räuber, und ein Mann kam auf mich zu. Ich sah auf den ersten Blick, daß ich mit ihm auskommen würde. Er hatte einen energischen, schwungvollen Schritt, forsch und gleichzeitig vorsichtig – ein Schritt, der mir zeigte, daß er aufgeschlossen war und bereit sein würde, mir zuzuhören. Er trug ein kurzes, schweres Schwert – mehr ein langes Messer als ein Kurzschwert –, und die Spitze war sauber und ohne Blut. Er war nicht sonderlich groß, doch seine Brust war breit und seine Arme muskelbepackt. Auch er hatte blaue Augen.
»Was soll das ...«, begann er.
»Aighos!«, unterbrach ich ihn brüsk. »Wenn du genau hinschaust, siehst du, daß ich nicht zu Vektors Leuten gehöre.«
»Bei Vox! Du redest Unsinn, Cramph! Du mußt einer von Vektors Leuten sein, warum wärst du sonst hier?«
Ein wieselflinker kleiner Bursche mit vorstehenden Zähnen und einem struppigen Ponshofell trottete herbei. Er schleppte sich mit einem Knüppel ab, der fast so groß war wie er.
»Erstich ihn, Korf Aighos!« sagte er schrill und schwenkte seine Waffe. »Erstich ihn und gewinne den Schatz ...«
»Halt den Mund, Ob-Auge!« Aighos starrte den Kleinen wütend an. » Ich sage, wer hier erstochen wird und wer nicht. Was den Schatz angeht, so kannst du ihn meinetwegen in den Fluß werfen.«
Bei diesen Worten fuhren einige Räuber zusammen. Ob-Auge schluckte, als habe er einen Schlag erhalten.
»Aber der Schatz! Töte ihn, sage ich!«
»Gleich bist du dran, bei Vox! Du kennst die Befehle meiner Lady von Strombor! Niemand darf getötet werden!«
In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, die Berge schwankten unter mir. Meine Lady von Strombor! Es gab nur zwei Ladys von Strombor auf ganz Kregen – und eine der beiden, Großtante Shusha, wohnte meines Wissens noch in Zenicce. Also ... also konnte Aighos nur meine Lady von Strombor meinen, meine Delia!
Was in den nächsten Sekunden passierte, weiß ich nicht mehr genau, doch ich merkte plötzlich, daß ich Aighos am Kragen gepackt hielt und an mich drückte und wütend in sein Gesicht starrte. Er erwiderte meinen Blick – und ein verräterischer Schatten huschte über seine Züge.
»Was heißt das – meine Lady von Strombor? Rede, und zwar schnell, sonst brech' ich dir das Genick!«
Er wehrte sich, und jemand legte mir eine Hand auf die Schulter, um mich herumzuziehen. Ich trat nach hinten aus, und ein Mann begann zu schreien. Ich hob Aighos in die Höhe, wehrte seine Fäuste ab – er hatte sein langes Messer fallen lassen –, schwang ihn herum und brüllte die Gesellen der Blauen Berge an.
»Hört mich an, ihr Berg-Cramphs! Ich will euch nichts tun. Ich bin ein Gast in eurem Land und werde hier überfallen. Wenn dieser Rast euer Anführer ist, laßt ihn sprechen, oder er ist ein toter Mann, bei Zim-Zair!«
Ich sah, wie Korf Aighos mich musterte. Plötzlich erschlaffte er in meinem Griff.
»Ich werde reden. Aber sag mir zuerst, wer du bist – und stell mich hin, bei Opaz!«
Ich stellte ihn auf den Boden.
»Ich bin Drak ti Valkanium«, rief ich – und sagte mir im nächsten Augenblick, daß ich wahrscheinlich einen Fehler gemacht hatte. Doch der neue Name war mir inzwischen so vertraut geworden.
Er musterte mich von der Seite und schüttelte den Kopf. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
»Erzähl mir von der Lady von Strombor!«
Bei diesen Worten nahm er sich sichtlich zusammen, warf einen besorgten Blick in die Runde und sah mich entschlossen an.
»Wenn ich dir das sage, Tyr Drak«, flüsterte er, »bekommen die verdammten Wachen Vektors zuviel mit. Dann müssen wir sie töten. Meine Lady von Strombor hat aber ausdrücklich verboten, auch nur einen Mann umzubringen, obwohl ...« Er breitete die Hände aus und sah sich um. »Manchmal ist eben das Messer oder ein Felsen die
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