Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums
bekommen haben und nicht dieser schreckliche Mann.«
»Welcher schreckliche Mann?«, fragte Sula verwirrt.
»Der Mann, der während der Rettung die ganze Zeit geredet hat. Er hatte so eine entsetzliche Stimme.«
»Oh.« Sula blinzelte verblüfft. »Das müsste Lord Gareth Martinez gewesen sein.«
»So hört man es in den Nachrichten. Er soll ja tatsächlich ein Peer sein.« Lady Amita schnitt eine missmutige Grimasse. »Ich verstehe bloß nicht, wie ein Peer so reden kann, mit so einem schrecklichen Akzent. Wir kennen solche Leute ganz bestimmt nicht. Er klang ja wie ein Verbrecher aus Die unbestechlichen Sieben .«
Lord Durward tätschelte den Arm seiner Frau. »Du kannst mir glauben, manche dieser heruntergekommenen Peers aus der Provinz sind schlimmer als jeder Verbrecher.«
Auf einmal fühlte Sula sich verpflichtet, Martinez zu verteidigen. »Lord Gareth ist ohne Zweifel kein Verbrecher«, erwiderte sie. »Ich halte ihn sogar für ein Genie.«
Lady Amita riss die Augen weit auf. »Wirklich? Ich hoffe sehr, dass wir solchen Genies nie begegnen.«
Lord Durward lächelte nachsichtig. »Ich beschütze dich, meine Liebe.«
Wie sich herausstellte, ging es an diesem Abend vor allem darum, einer auserwählten Gruppe von Familienangehörigen
und Freunden Lady Terzas Fähigkeiten vorzuführen. Nach dem Abendessen, das auf einem modernen Service von Gemmel mit einem Muster aus Früchten und Nüssen serviert wurde, versammelten sie sich alle im kleinen, intimen Theater. Es war hinter dem Li-Palast in Form einer Unterwassergrotte angelegt, die Wände und das Proszenium waren mit Tausenden Muscheln geschmückt, die zu hübschen Mustern arrangiert waren. Blaugrünes Licht verstärkte noch den Eindruck. Alle lauschten aufmerksam, als Lady Terza sich vor ein kleines Kammerensemble setzte und auf ihrer Harfe spielte. Soweit Sula es sagen konnte, spielte sie sogar außerordentlich gut. Terza versank völlig in ihrer Musik, ihre Miene bezeugte die tiefe Konzentration, die man beinahe Besessenheit nennen musste und die ganz im Widerspruch zu dem heiteren Gebaren stand, das sie vorher ihrer Familie und den Gästen gegenüber an den Tag gelegt hatte.
Von Kammermusik verstand Sula so gut wie gar nichts. Diese Stilrichtung hatte sie immer abgelehnt, weil man sich dabei den Text selbst ausdenken musste. Terzas leidenschaftliche Darbietung zog sie jedoch in das Stück hinein. Sula beobachtete die Körpersprache der Musikerin - wie sie vor einer Pause einen Moment den Atem anhielt und zufrieden über den Akkord nickte, der die Spannung aufhob, wie sie vor schwierigen Stellen ins Leere blickte oder sich bei langsamen Passagen entspannte, bis ihre Bewegungen geradezu verträumt und beschwörend wirkten - und spürte, wie die
Musik mehr und mehr in sie eindrang, ihre Nerven liebkoste oder in Erregung versetzte und in ihrem Blut zu tanzen schien.
Schließlich gab es eine Pause in der Aufführung, die Sula zusammen mit den anderen Gästen mit ihrem Applaus füllte.
»Ich bin so froh, dass sich eine Möglichkeit ergeben hat, das Orchester zu verpflichten«, vertraute ihr Lady Amita an. »Während der Trauerzeit sind Musiker nicht sehr gefragt.«
Darüber hatte Sula noch gar nicht nachgedacht. »Es ist gut, dass Sie ihnen Arbeit geben.«
»Terza hat es vorgeschlagen. Sie hat viele Freunde unter den Musikern und sorgt sich um ihr Wohlergehen.« Dann machte sie eine besorgte Meine. »Wenn sie verheiratet ist, kann sie natürlich nicht mehr so viel Zeit mit …«, taktvoll verkniff sie sich eine unfreundliche Bemerkung, »… mit solchen Menschen verbringen.«
Bald darauf war die Pause vorüber, und Sula beobachtete wieder Terzas lange, geschickte Finger auf den Saiten der Harfe, das aufmerksame Gesicht nahe neben dem Instrument. Irgendwann blickte Sula zu Maurice Chen und Lord Richard auf der anderen Seite des Mittelgangs hinüber. Beide sahen mit leuchtenden Augen der anmutigen Frau auf der Bühne zu. Sula nahm an, dass ihre eigenen Leistungen bei den Männern sicher nicht dieses Maß an Bewunderung wecken würden. Sie war eine gute Pilotin und mathematisch begabt, doch die Hoffnung auf eine Beziehung mit dem einzigen
Menschen, der diese besondere Kombination von Fähigkeiten zu schätzen wusste, hatte sie bereits zerstört.
Nicht, dass sie bei Martinez überhaupt eine Chance gehabt hätte. Jedenfalls nicht auf lange Sicht, und Lord Richard konnte sie sich sowieso aus dem Kopf schlagen. Schon vor langer Zeit hatte sie entdeckt, dass
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