Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums
bringen.«
»Jawohl, mein Lord.«
Tarafah bediente die in den Schreibtisch eingelassene Tastatur. »Ich habe Sie für den Posten des Dritten Leutnants freigeschaltet. Hier ist Ihr Schlüssel.«
Martinez nahm den Schlüsselchip am elastischen Band entgegen und dachte: Das wird wohl eine lange, lange Reise werden.
»Brillant, wirklich brillant. Ihre Eltern wären sicher stolz auf Sie.«
»Es freut mich, dass Sie es so sehen«, sagte Sula.
»Darf ich Ihnen noch einen Drink anbieten?«
»Ich bleibe lieber bei Wasser, danke.«
Lord Durward Li schenkte Sula Wasser ein und füllte sein eigenes Glas mit Branntwein nach. »Schade, dass wir gerade in der Trauerperiode sind«, fuhr er fort. »Gewöhnlich haben wir zu dieser Jahreszeit ganze Schwärme von Gästen, doch jetzt sind es leider nur zweiundzwanzig.«
»Zweiundzwanzig?« Sula runzelte die Stirn. »Da frage ich mich schon, warum. Die Shaa bevorzugten doch immer Primzahlen.«
»Oh - dann kennen Sie die Geschichte gar nicht? Sie müssen wissen, dass vor vielen Jahren, direkt nach der Eroberung der Torminel …«
Sula trank ihr Wasser und hörte Lord Durwards Geplauder zu. Nach dem Debakel mit Martinez war sie aus der Hauptstadt in einen Ferienort im Gebirge geflohen. Während die anderen Besucher gewandert waren, sich im öffentlichen Bad entspannt oder die Berglandschaft genossen hatten, war Sula fast die ganze Zeit in ihrem Zimmer geblieben und hatte sich auf das Leutnantsexamen vorbereitet.
Wann immer sie das Büffeln leid gewesen und der Bildschirm fast vor ihren Augen verschwommen war, hatte sie die Augen geschlossen, sich aufs Bett gelegt und versucht, ein wenig auszuruhen. Vor dem inneren Auge hatte sie immer wieder Martinez mit verzweifelt erhobenen Armen im Boot stehen sehen.
So eine Dummheit. Sie musste endlich lernen, wie man sich in der Gegenwart anderer Menschen benahm.
Ihr fielen die Einladungen ein, die sie erhalten hatte. Vielleicht hatte Martinez Recht. Die Freunde ihrer Eltern hätten ihr vielleicht helfen können, und es war wohl keine schlechte Idee, hin und wieder mal Menschen zu treffen, die ihr nicht im Dienst begegneten. Die Alternative wäre der Aufenthaltsraum der Kadetten gewesen, wo Foote und seine Clique herumhockten.
Schon vor der Bestattung des Großen Meisters hatte sie alle Einladungen ausgeschlagen, bei denen sie aufgrund ihrer Bekanntheit nur als Dekoration hatte dienen sollen. Über die restlichen Gastgeber hatte sie in öffentlichen Datenbanken Erkundigungen eingezogen und herausgefunden, dass der Li-Klan zu den Klienten der Sulas gezählt hatte. Nach dem Sturz des Sula-Klans hatten sie sich unter die Fittiche der Chens begeben. Lord Durwards Einladung war die erste, die sie überhaupt angenommen hatte.
Anscheinend war es den Lis nach dem Tod von Lord Sula recht gut ergangen. Der neue Li-Palast, errichtet auf dem Gelände eines älteren Bauwerks, das abgerissen worden war, befand sich an prominenter Stelle am Boulevard der Praxis. Die Fassade bestand aus hellem, halb durchsichtigem Stein mit rosafarbenen Adern. Wenn abends das Licht eingeschaltet wurde, glühten die Zeichnungen des Steins, als wären sie lebendig.
Der Empfangssaal war anscheinend mit Wandteppichen und Spitze ausgeschmückt, doch bei näherer Betrachtung
fand Sula heraus, dass es sich um beigefarbenen, grünen und hellroten Marmor handelte, der drapiertem Stoff nachempfunden war. Nicht einmal die feinen Spitzen, Borten und Löcher hatte der Bildhauer vergessen. Sie staunte über die unzähligen Stunden, die viele Arbeiter darauf verwendet haben mussten.
Der Salon war nicht ganz so einschüchternd. Dort gab es schwere Polstermöbel, und die Wände waren mit Porträts von Pferden oder Landschaftsbildern geschmückt. Glücklicherweise standen die Möbel in großem Abstand, so dass die naxidischen Gäste - Lady Kushdai, eine Konvokatin, die zur Beerdigung des Großen Meisters in die Stadt gekommen war, samt ihrem Anhang - sich frei bewegen konnten, ohne etwas umzuwerfen. Bewundernd betrachtete Sula die lackierten, mehr als mannshohen Porzellankrüge, die in den Ecken des Raumes standen.
»Sie sehen also«, beendete Lord Durward seine Erklärungen, »dass es vor allem mit den Zweiundzwanzig Märtyrern der Vollkommenheit der Praxis zu tun hat. Man möchte sie symbolisch zu den Trauerfeiern einladen und ihnen zeigen, dass sie nicht umsonst gestorben sind.«
»Faszinierend«, bemerkte Sula.
»Ah.« Lord Durward zog die roten Augenbrauen hoch und blickte
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