Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung
der amtierende Kapitän Morgen ein.
»Martinez?«, fragte er. »Martinez von der Corona ?«
»Ja, genau der«, erwiderte Foote gedehnt. Seine Stimme, aus der Generationen von guter Erziehung in privilegiertem Hause sprach, klang ein wenig boshaft und war demonstrativ laut genug, um auch bis zum nächsten Tisch zu tragen, an dem einige Rekruten saßen. »Er schickt fast täglich Botschaften an unsere junge Sula. Sie antwortet ebenso oft. Leidenschaftliche Mitteilungen aus der ganzen Tiefe ihres zarten Herzens. Es ist rührend, so eine große Romanze in der Tradition der Derivoosänger zu sehen.«
Morgen sah sie fragend an. »Sie und Martinez, sind Sie, äh …«
Sula sah nicht ein, dass ihr diese Enthüllung irgendwie peinlich sein sollte. Schließlich war Lord Gareth Martinez einer der wenigen Helden, die der Krieg auf Seiten der Regierungstreuen hervorgebracht hatte, und im Gegensatz zu den anderen zählte er sogar noch zu den Lebenden.
Sula kaute und schluckte ihr Stück platten Auflauf, ehe sie antwortete. Auch sie sprach laut, um möglichst viele Zuhörer zu erreichen. »Oh, Martinez und ich sind alte Freunde«, erklärte sie. »Mein Lord Leutnant Foote erfindet allerdings immer neue Romanzen für mich. Ist eben seine Art, damit zurechtzukommen, dass ich nicht mit ihm schlafen will.«
Das hatte gesessen – Footes Augenlid zuckte. Abermals verkniff sich der Kapitän ein Lächeln. »Ich hoffe doch, Sie erzählen nur Gutes über uns«, sagte er.
Sula fixierte Foote mit ihren grünen Augen und imitierte dessen leiernde Sprechweise perfekt. »Über die meisten schon.« Sie trank einen Schluck Wasser. »Übrigens frage ich mich«, fuhr sie fort, »wie es eigentlich kommt, dass Lord Leutnant Foote so gut über meine Korrespondenz Bescheid weiß.«
»Ich bin der Zensor«, erwiderte Foote und zeigte ihr seine makellosen weißen Zähne. »Wie gebannt verfolge ich jede vor Leidenschaft glühende Sekunde Ihrer Videobotschaften.«
»Gibt es denn immer noch eine Zensur?« Sula überraschte dieser Schwachsinn. »Hat Foote denn nichts Wichtigeres zu tun?« Immerhin saßen sie auf einem havarierten Kreuzer, die meisten Offiziere waren tot, nur wenige Waffen funktionierten noch, und das vordere Drittel des Schiffs war ein geschmolzener Schrotthaufen, in den das Vakuum des Weltraums eingedrungen war. Die wenigen noch lebenden Offiziere sollten doch sicher eine bessere Aufgabe für Foote finden, als ausgerechnet ihre Korrespondenz zu lesen.
Morgen machte ein ernstes Gesicht. »Die Zensur ist wichtiger denn je, meine Lady. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Ereignisse von Magaria nicht verbreiten.«
Sula spülte eilig ein Stück dünnes Brot hinunter. »Zu wem soll es sich denn verbreiten? Zum Feind? Der weiß doch ganz genau, dass er achtundvierzig unserer Schiffe vernichtet hat. Der Feind weiß ganz genau, dass wir nur noch sechs Einheiten in der Heimatflotte haben, und ihm muss auch bekannt sein, dass die Delhi ein Wrack ist.«
Morgen sprach betont leise, als wollte er die Gemeinen nicht mithören lassen, obwohl sie doch alle ganz genau wussten, was geschehen war. »Wir müssen verhindern, dass in der Zivilbevölkerung eine Panik ausbricht«, sagte er.
Sula lachte verbittert. »Nein, die Zivilisten dürfen auf keinen Fall in Panik geraten. Jedenfalls nicht die falschen Zivilisten.« Sie sah Foote scharf an. »Ich bin ziemlich sicher, dass die Familie unseres ehrenwerten Zensors in genau diesem Augenblick sogar in äußerster Panik ist. Der einzige Unterschied zwischen ihnen und der breiten Masse ist der, dass der Foote-Clan aus der Panik einen Profit schlagen wird. Ich nehme an, sie schieben inzwischen eifrig ihr Geld hin und her und investieren …« Ihr fiel gerade nichts Passendes ein. »In irgendetwas, das sich leicht wieder umtauschen lässt und das man mühelos in einen sicheren Winkel des Reichs schaffen kann, bis bessere Zeiten dämmern. Vielleicht schleppen sie das Zeug sogar schon im Kopfkissen des gegenwärtigen Lord Foote weg.«
»Mein Lord Großonkel ist zu krank, um seinen Palast in Zanshaa zu verlassen«, erwiderte Foote leise.
»Dann eben sein Erbe«, meinte Sula. »Bei der Zensur geht es doch vor allem darum, dass wir Peers unser Monopol auf die Informationen wahren, die wir brauchen, um möglichst bequem zu überleben. Wer nicht zu unserem Club gehört, soll weitermachen wie gehabt und für die Peers Geld scheffeln, bis die naxidische Flotte auftaucht und Antimateriebomben abwirft. Dann
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