DREAM - Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast (German Edition)
sich.
»Hierhin«, deutet er, »schreib: ›leichter deutscher Akzent, neigt dazu, sich zu versprechen, wenn er aufgeregt ist. Spielt ständig mit der Kreide‹. Der Kerl ist nervlich am Ende«, erklärt Carl.
»Als Nächstes kommt Mrs Pancake.« Über diesen Namen lachen sie nicht, denn sie kennen sie seit Jahren. »Über sie habe ich nichts zu sagen. Sie ist einenette dicke Oma – nicht gerade das Profil, hinter dem wir her sind, aber wir schließen niemanden aus, oder? Ich beobachte sie einfach weiter.«
Janie nickt und öffnet die dritte Seite, trägt die Informationen ein und nach einer halben Stunde sind Carls Eintragungen für diesen Tag erledigt. Sie mailt sie ihm zu.
»Wenn du nichts dagegen hast, mache ich meine Hausaufgaben fertig, während du deine eigenen Tabellen schreibst«, sagt er. »Frag mich, wenn du etwas nicht verstehst. Und schreib alles auf, alle Intuitionen, komischen Gefühle, Verdachtsmomente – alles. Es gibt keine falschen Spuren.«
»In Ordnung«, stimmt Janie zu. Sie lässt ihre Finger geschickt über die Tastatur gleiten und beendet ihre Tabellen, bevor Carl mit den Hausaufgaben fertig ist. Noch einmal sieht sie sich jeden Eintrag an, versucht, sich an etwas Auffälliges zu erinnern, und nimmt sich vor, morgen noch kritischer an die Sache heranzugehen.
»Und«, meint sie leichthin, als Carl seine Bücher zuklappt. »Hast du heute mit Shay gesprochen?« Ihr ist aufgefallen, dass die beiden drei Fächer gemeinsam haben.
Carl sieht sie mit einem leisen Lächeln an. Er ahnt, was sie eigentlich wissen will. »Der Gedanke daran, mit Shay Wilder zusammen zu sein, weckt in mir den Wunsch, mir die Augen mit einem Buttermesser auszukratzen«, erwidert er und zieht Janie halb umarmend an sich. Sie lehnt den Kopf an seine Schulterund er streicht ihr übers Haar. »Bleibst du heute Nacht hier?«, fragt er nach einer Weile hoffnungsvoll.
Janie muss an die Akten auf ihrem Bett denken, die Captain ihr gegeben hat.
Sie hasst den Gedanken daran, dass sie da liegen, unberührt, wie eine Hausaufgabe, die ihr droht. Sie kann so etwas nicht ausstehen.
Aber …
Genauso hasst sie es, Carl zu enttäuschen.
Die Frage schwebt in der Luft.
Schließlich sagt sie: »Ich kann nicht. Ich muss zu Hause noch etwas erledigen.«
Irgendwie fällt es ihr an diesem Abend schwer, sich von ihm zu verabschieden. Sie bleiben noch einen Moment an der Hintertür stehen, die Stirnen aneinandergelehnt und still wie Statuen, während ihre Lippen leise flüstern und sich berühren.
21:17 Uhr
Janie muss sich eine Viertelstunde lang hinter ein paar Bäumen verstecken, bis Carrie ihr Auto freigeschaufelt hat und losgefahren ist, wahrscheinlich zu Stus Wohnung. Zu Hause erwartet sie ein Chaos. Janie will keine Fragen darüber beantworten müssen, wo sie gerade herkommt. Sie weiß, dass irgendwann der Tag kommen wird, an dem Carrie Janies Auto in der Einfahrt stehen sieht, obwohl sie nicht da ist.
Zum Glück verbringt Carrie die meiste Zeit mit Stu. Carries Eltern mögen ihn, sogar noch, seitdem Carrie ihnen das mit der Verhaftung gebeichtet hat. Sie schienen erleichtert zu hören, dass Stu nichts mit Kokain zu tun hatte.
Natürlich haben sie Carrie trotzdem Hausarrest gegeben. Lebenslänglich. Wie immer.
21:25 Uhr
Janie macht es sich in ihrem Bett gemütlich und öffnet Captains Karton. Sie nimmt die erste Akte heraus und taucht in Miss Stubins Leben ein.
Letzte Meldung: Miss Stubin war nie Lehrerin.
Und sie war verheiratet.
Lange bleibt Janie der Mund offen stehen. Die zarte, gebrechliche, spindeldürre und blinde Frau, die angeblich früher Schullehrerin gewesen war und der Janie Bücher vorgelesen hat, hatte ein Doppelleben geführt.
23:30 Uhr
Janie hält sich den schmerzenden Kopf und schließt die Akten. Sie packt sie wieder in den Karton undversteckt ihn in ihrem Schrank. Dann macht sie das Licht aus und schlüpft wieder unter die Decke.
Sie muss an den Uniformierten in Miss Stubins Traum denken.
Miss Stubin , denkt sie mit einem Lächeln auf den Lippen, war früher ganz schön gerissen .
01:42 Uhr
Janie träumt in SchwarzWeiß.
Sie geht in der Abenddämmerung die Center Street entlang. Es ist kühl und regnerisch. Janie war hier schon einmal, auch wenn sie nicht weiß, in welcher Stadt sie sich befindet. Aufgeregt sieht sie zu der Ecke beim Textilwarenladen hinüber, aber dort geht kein junges Paar Arm in Arm.
»Hier bin ich, Janie«, erklingt hinter ihr eine Stimme. »Komm, setz dich zu
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