DREAM - Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast (German Edition)
zwanzig Grad minus. Janie zieht sich die Handschuhe über und stellt den Mantelkragen auf. Sie ist froh, dass sie Stiefel anhat.
Im etwa zwei Kilometer entfernten Supermarkt ist es ruhig. Ein paar Einkäufer schlendern umher, unter der Musikberieselung aus den Lautsprechern. Der Laden ist hell erleuchtet, und Janie blinzelt in das gelbe Licht, als sie eintritt. Sie nimmt sich einen Einkaufswagen, schüttelt sich den Schnee aus den Haaren und geht in die Obst-und Gemüseabteilung. Sie öffnet den Mantel und steckt ihre Handschuhe in die Taschen.
Wenn Janie sich erst einmal dazu aufrafft, findet sie Einkaufen eigentlich entspannend. Sie nimmt sich Zeit, die Etiketten zu lesen und über Lebensmittel nachzudenken, die möglicherweise gut zusammenpassen, das beste Gemüse auszusuchen und dabei die Gesamtsumme zusammenzurechnen. Es ist wie eine Therapie. Als sie alles zusammenhat, geht sie durch die Backabteilung zur Kasse. Bei den Ölen und Gewürzen bleibt sie einen Moment lang stehen.
Wirft einen Blick nach links.
Rechnet den Inhalt ihres Einkaufswagens zusammen.
Und greift zögernd nach einer roten Schachtel und einer kleinen runden Büchse, die sie in den Wagen zu den Eiern und der Milch legt.
Sie geht zum Ausgang und stellt sich an der kurzen Schlange an der Kasse an. Während sie wartet, wirft sie einen Blick auf die Zeitschriften. Ihr ist übel vor Hunger. Sie lädt ihren Einkauf aufs Band und beobachtet ängstlich, wie die Zahl hinter dem Scanner immer höher steigt.
»Zweiundfünfzig Dollar zwölf insgesamt.«
Janie schließt für einen Moment die Augen. »Es tut mir leid, ich habe nur genau fünfzig Dollar«, erklärt sie. »Ich muss etwas zurücklegen.«
Die Kassiererin seufzt. Die Schlange hinter Janie wächst. Sie wird rot und sieht niemanden an, während sie zu entscheiden versucht, was sie nicht unbedingt braucht.
Zögernd nimmt sie die Backmischung und die Glasur heraus und reicht sie der Kassiererin.
»Ziehen Sie die beiden bitte ab«, sagt sie leise. Das passt , denkt sie.
Die Kassiererin macht viel Aufhebens darum und haut kräftig auf die Tasten der Kasse.
Hinter ihr tauen und tropfen die Leute und treten von einem Fuß auf den anderen.
Sie ignoriert sie.
Schwitzt heftig.
»48,01«, sagt die Kassiererin und zählt die 1,99 $ Wechselgeld ab, als ob es eine Zumutung wäre, so viele Münzen auf einmal in die Hand zu nehmen.
Janie hängt sich die vollen Einkaufstüten über die Arme, je drei auf eine Seite, und geht schnell hinaus. Die kalte Luft tut gut. Als sie auf die Straße kommt, hebt und senkt sie die Arme, um ihr tägliches Training zu bekommen, achtet dabei aber darauf, die Eier und das Brot nicht zu zerdrücken. Zuerst tun ihre Arme angenehm weh. Dann tun sie nur noch weh.
Nach einem halben Kilometer wird ein Auto neben ihr langsamer und hält neben Janie an. Ein Mann steigt aus. »Ms Hannagan, nicht wahr?«, sagt er. Es ist Happy, auch bekannt als Mr Durbin, ihr Chemielehrer. »Möchten Sie mitfahren? Ich habe etwas weiter hinten in der Schlange gestanden.«
»Oh … nein danke, ich laufe gerne«, erwidert sie.
»Sicher?« Er lächelt sie skeptisch an. »Wie weit müssen Sie denn?«
»Nicht weit. Nur so den Hügel hinauf.« Janie weist mit dem Kopf die schneebedeckte Straße entlang, die sich vor Mr Durbins Scheinwerfern in der Dunkelheit verliert. »Das ist nicht weit.«
»Es ist wirklich keine Mühe. Steigen Sie ein.« Mr Durbin steht da, abwartend, einen Arm über die offene Wagentür gelegt, als ob er kein Nein akzeptieren würde. Was Janie eine Gänsehaut bereitet. Aber … vielleicht sollte sie die Gelegenheit ergreifen, Mr Durbin ein wenig besser kennenzulernen, für die Untersuchung.
»Nun …« Langsam beginnt Janie vor Hunger zu zittern. »Danke«, sagt sie und öffnet die Beifahrertür. Mr Durbin steigt wieder ein, räumt vier oder fünf Plastiktüten auf den Rücksitz und lässt sie einsteigen. »Geradeaus, Richtung Butternut. Tut mir leid«, entschuldigt sie sich. Sie ist sich nicht sicher, wofür. Vielleicht für die Unannehmlichkeit.
»Kein Problem, im Ernst. Ich wohne auf der anderen Seite der Brücke, in Sinclair«, erzählt er. »Es liegtalso auf meinem Weg.« Das Rauschen der Heizung füllt das Schweigen. »Und wie gefällt Ihnen der Unterricht? Ich habe mich gefreut, so viele Schüler zu sehen. Zehn sind für dieses Fach schon sehr viel.«
»Mir gefällt es«, sagt sie. Es ist sogar Janies Lieblingsfach. Aber das muss er ja nicht unbedingt wissen.
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