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Dreck

Dreck

Titel: Dreck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Damals war sie noch auf den Strich gegangen. Er hatte es gewußt, doch es war ihm gleichgültig gewesen, war nie ein Thema gewesen. Es interessierte ihn nicht, wer sie war, wenn sie mit ihren Freiern verkehrte, oder warum sie es tat oder wie die anderen Männer waren. Es war ihr Job, fertig. Irgendwie hatte sie damals geahnt, dass er nicht zu der Sorte Mann gehörte, die sich darum scherte, was sie machte. Und sie war zu klug, um sich irgendetwas einzufangen.
    »Wyatt?«
    »Ich bin hier.«
    »Unternimmst du immer noch einmal im Jahr eine Reise?«
    »Wenn es ein gutes Jahr war, ja. In letzter Zeit waren die Ertrage allerdings eher spärlich.«
    »Aber diesmal wird einiges dabei rausspringen. Du könntest nächsten Monat bereits auf Tahiti sein.«
    Es war ihre Art zu fragen, ob sie mitkommen könne. Er wusste es noch nicht genau. Seine Finger streichelten sie weiter und ihr Rücken wölbte sich erneut.

Dreizehn
    Am darauf folgenden Morgen, nachdem der Pendlerverkehr sich gelegt hatte, fuhren sie auf der kurvenreichen Stadtautobahn über die Hügel in die Stadt hinunter. Leah fuhr ohne hektische Bremsmanöver und nervöse Schlenker. Als sie die Hügel hinter sich gelassen hatten, widmete Wyatt seine Aufmerksamkeit dem Verkehr. Alltägliche Geschäftigkeit auf den Straßen der Vororte. Es war ein Reflex. Als ob Banken, Lohntransporter, Safes und Juweliere nur für ihn da waren.
    An der Rennbahn bei Victoria Park fiel ihm ein, dass er auch für sie schon Verwendung hatte. Eines Tages wollte er sich während eines größeren Sportereignisses die Kasseneinnahmen schnappen, und eine Schwachstelle im Sicherheitssystem ausnutzen. Leah fuhr an den riesigen Parkanlagen entlang, die die Stadt umgaben. Ein paar Jungs joggten über die Sportplätze des Prince Alfred College. Solche Schulen wurden nie mit ihrem vollen Namen genannt. Sie hießen nur Prince’s, King’s, SCEGGS oder PLC und jeder ging davon aus, dass man wusste, was gemeint war.
    Wyatts Selbstbeherrschung, seine Statur und selbstbewußte Haltung führte viele zu dem Trugschluss, er wäre arrogant oder aus besseren Kreisen. Einmal hatte ihn jemand gefragt ›Waren Sie auch im Scotch?‹ Diese Schulen, die Leute, die ihre Sprösslinge dort hinschickten, stanken nach Geld, und Wyatt war entschlossen, sich seinen Anteil davon zu holen. Es war nichts Persönliches. Für Hass- und Neidgefühle hatte er keine Zeit. Das fraß nur unnötig Energie und trübte das Urteilsvermögen. Für Wyatt zählte nur, dass sie das Geld besaßen, das er haben wollte, also stellte er sich die Frage, wie man da am besten herankam.
    In Enfield bog Leah auf die Main North Road ab, und plötzlich zeigte die Stadt auf einmal ihre hässliche Seite. Die Windschutzscheiben reflektierten die gleißende Sonne und im Chrom der Gebrauchtwagenareale, und nicht nur dort, lauerten überdimensionale Plastikhühner, Hamburger, Tennisschläger oder Sonnenbrillen, die an den Balustraden über den Ladeneingängen die Branche des Betriebs illustrierten. Leah musste scharf bremsen und fluchte, als ein Milchgesicht mit seinem Holztransporter vor ihr Schlenker vollführte. Am Heck klebte ein Aufkleber: ›Nicht lachen – Ihre Tochter könnte drinsitzen.‹ Der ist uralt, dachte Wyatt. Aber die ganze Stadt wirkte wie mindestens fünf Jahre hinter der Zeit. Leah bremste wieder, diesmal war es ein Bus. Dieselwolken flüchteten aus seinem Auspuff und bald war der ganze Innenraum des Wagens voll mit öligem Dunst.
    »Ich vergesse immer wieder, wie beschissen es hier sein kann«, bemerkte Leah. »Ich bin einfach zu verwöhnt dort oben auf meinen Hügeln.«
    »Buschbrände«, gab Wyatt zu bedenken. »Grundstücksjäger und Entwicklungsplaner. Gefährliche Wildkatzen. Pflanzenschutzmittel auf den schönen Heidelbeeren.«
    »Ha ha.«
    Wenige Blöcke entfernt von Gepps Cross bog sie links ein in ein Industriegebiet. Bereits 50% vermietet! schrie es von den Plakatwänden an den Zäunen. Das Gras wuchs mannshoch um die verlassenen Gebäude. Wyatt zählte allein vier Autokarkassen im Vorhof. Röhren für eine Klimaanlage, Umzugskartons und leere Paletten stapelten sich entlang eines Stahlzauns.
    »Hier?«
    »Das ist die Adresse, die mir angegeben wurde.«
    Leah fuhr die Zufahrtsrampe hoch und um das Hauptgebäude herum. Dahinter waren sechs kleinere Schuppen und einige Großhandelslager. Drei davon standen leer. Die anderen gehörten einem Sanitärgeschäft, einem Holzmöbelfabrikanten und einem kleinen Transportunternehmen.

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