Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
Vom Netzwerk:
größeren Bergen.
    Mongolei, sagte sie. Vielleicht die Mongolei.
    Und wir sind über die weite Steppe geritten.
    Schnee und Winter, sagte sie. Die Pferde mit Decken.
    Die Steppe hatte nur Grasbüschel, keine Nahrung für die Pferde.
    Wir laufen vor jemandem weg.
    Oder allen.
    Ja. Seine Mutter war aufgeregt, auf einen Ellbogen gestützt jetzt, vorgebeugt. Ihre grauen Augen goldgesprenkelt, ähnlich dem Granit. Vor allen davon. Genau. Sie verstehen uns nicht, und wir sind allein. Wir können mit niemandem sprechen.
    Sie war zu nah. Er spürte ihren Atem im Gesicht. Er setzte sich auf. Ich brauche noch Dip, sagte er, nahm seinen Teller und ging zum Tisch. Sie hatten dieses Spiel Monate nicht mehr gespielt, und jetzt kam es ihm seltsam vor. Manchmal lagen sie stundenlang flüsternd am Kamin. Dachten sich Orte und Leben aus und verrieten einander Geheimnisse über Menschen, die es gar nicht gab. Schon immer hatten sie das gemacht, aber jetzt kam es ihm gruselig vor. Er wusste nicht, wieso. Vielleicht, weil Jennifer ihn ein Muttersöhnchen genannt hatte. Oder weil er Jennifer von Nahem gesehen hatte. Irgendwas mit Jennifer jedenfalls. Vielleicht, weil seine Mutter und Jennifer auf eine Weise gleich waren, nur durch das Alter getrennt. Er mochte nicht darüber nachdenken. Er gruselte sich vor sich selbst.
    Galen löffelte Dip auf seinen Teller und kehrte zum Kamin zurück, setzte sich jetzt aber auf den breiten Steinsims.
    Schmeckt dir dein Essen?, fragte sie. Sie legte sich wieder hin, sah ihn an.
    Ja, sagte er, schloss die Augen, konzentrierte sich aufs Kauen. Der Dip salziger als beim ersten Probieren.
    Das freut mich, sagte sie. Ich dachte, wir gönnen uns was, wo die Schreckschrauben nicht da sind.
    Galen versuchte, sich auf eine Karotte zu konzentrieren, auf das Knacken zwischen den Zähnen. Er spürte, wie sie entzweiging, alle Festigkeit mit einem Mal zerborsten, ein Hinweis darauf, wie man die Welt einen Moment lang ins Wanken bringen konnte. Entfernung von der Welt. Distanz. Das brauchte er. Schrecklich, wie schnell er das vergessen konnte.
    Es war so hässlich von Helen, vor unserer Reise einen Streit anzufangen. So typisch. Bei ihr kann nichts einfach mal gut sein. Sie ist ein unglücklicher Mensch. Immer schon gewesen.
    Was für eine Reise?, fragte Galen. Er hielt die Augen geschlossen und versuchte, sich aufs Kauen zu konzentrieren.
    Wir fahren morgen zur Hütte.
    Morgen?
    Galen. Seit zwei Tagen ist der Kofferraum gepackt. Wir fahren um acht.
    Acht Uhr? Galen machte die Augen auf. So früh mag ich nicht aufstehen.
    Ein Tag. Das wird dich nicht umbringen.
    Aber wozu? Warum können wir nicht um zwölf los? Das sind doch nur anderthalb Stunden von hier.
    Galen.
    Schön. Kommt Grandma mit?
    Ja. Natürlich kommt sie mit.
    Stimmt es, dass das Testament nur auf dich ausgestellt ist?
    Wer hat das gesagt?
    Helen.
    Galens Mutter setzte sich auf, nahm ihren Teller und ging in die Küche. Ich habe keine Lust, darüber zu reden, sagte sie.
    Aber Galen folgte ihr. Und was ist mit College? Gibt es Geld fürs College? Wieso hat sie für Jennifer gefragt?
    Seine Mutter stellte den Teller in die Spüle und drehte den Wasserhahn auf. Helen lebt im Märchenland. Immer schon.
    Aber Grandmas Geld oder das Treuhandvermögen würden die Kosten fürs College decken?
    Sie drehte den Wasserhahn zu und legte die Hände auf den Rand der Spüle. Hör zu, sagte sie. Die Auszahlung von Geld aus dem Treuhandvermögen ist an Bedingungen geknüpft. Es kann für medizinische Zwecke oder Ausbildung oder sogar ein Haus verwendet werden. Helen hat's schon mit einem Haus probiert. Sie will alles. Aber dafür ist nicht genug Geld da. Mom lebt vielleicht noch zehn Jahre, und dieses Altersheim ist teuer.
    Wie viel Geld ist denn da?
    Galen.
    Im Ernst. Wie viel? Wut wallte in ihm auf wie eine Hitzewelle. Erstaunlich, wie schnell sie kommen konnte. Galen stand hinter seiner Mutter, direkt vor ihm ihr Nacken, Zentimeter entfernt.
    Hör auf, sagte sie und ging zur Hintertür hinaus, aber Galen folgte ihr auf den Rasen. Lass mich in Ruhe, sagte sie. Sie sah verängstigt aus, und auf einmal wurde ihm bewusst, wie klein sie war, wie zerbrechlich. Sie wich vor ihm zurück.
    Ich hätte schon vor vier Jahren aufs College gehen können, zischte er. Dazu ist das Treuhandvermögen da. Wenn da steht, dass es für Ausbildung benutzt werden kann, dann ist es dafür da. Aber das hast du mir nicht erzählt. Weil du alles behalten willst.
    Hör auf, Galen. Das verstehst

Weitere Kostenlose Bücher