Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
Vom Netzwerk:
nur der Körper.
    Er war sehr müde, also schloss er die Augen. Der Geruch dieser Pflanze eine starke Medizin, überwältigend, und er streckte sich aus und reiste in diesem Geruch, dehnte sich wie die Furchen, und er träumte nichts, woran er sich erinnern würde, war verloren in Schwärze und Vergessen und dem Nichts, zu dem wir alle zurückkehren, tauchte auf und verlor sich und tauchte wieder auf, und schließlich hörte er das Wasser.
    Die Luft jetzt heiß. Das Wasser tröpfelte in die Furchen. Er wusste, er sollte Panik empfinden, sollte nachsehen, ob seine Mutter geflohen war, aber er empfand überhaupt keine Panik. Er beugte sich zum Bewässerungsschlauch und legte die Lippen daran, saugte das kühle Wasser auf. Unglaublich, Wasser. Das Gefühl auf den Lippen, im Mund, eine Art Frieden. Eine Entspannung des Körpers, eine Entspannung des Bedürfnisses, eine Linderung der Verzweiflung. Das, was seine Mutter brauchte. So simpel, so elementar, und wie lange halten wir ohne durch? Galen wusste es nicht, aber lange konnte es nicht sein. Luft brauchen wir dringender. Ohne Luft schaffen wir zwei, drei Minuten, aber danach kommt schon Wasser. Wasser war kein Luxus.
    Er sollte seiner Mutter Wasser bringen wollen. Das sollte ein so elementares Bedürfnis für ihn sein wie das Bedürfnis zu trinken oder zu atmen. Und doch blieb es aus. Er fühlte nichts. Und dem galt es nachzugehen. Wie konnte es sein, dass er nichts fühlte?
    Galen sog am Schlauch, suckelte an einer Art Titte, summend mit geschlossenen Augen, während er das Wasser aufnahm. Die Philosophie war zu so was da. Die Philosophie machte es möglich, der eigenen Mutter, die vor Durst starb, kein Wasser zu bringen. Und die Religion war dazu da, einen glauben zu machen, dass das, was man getan oder unterlassen hatte, gut war und richtig, insofern war sie sogar noch machtvoller. Was Galen allerdings fühlte oder nicht fühlte, ging über Philosophie und Religion hinaus, denn das waren noch Bindungssysteme. Was er fühlte, war Frieden, einfach Frieden, und das war das Ergebnis von Loslösung. Die Loslösung fühlte oder sah man nicht, man spürte nur ihr Symptom, diese Flut von Frieden. Aber vielleicht war Flut zu aktiv gedacht. Das Entscheidende war das Wissen oder Bewusstsein, dass es nichts gab wie eine Mutter, an die er gebunden sein könnte. Es gab niemanden, dem er Wasser bringen musste. Das war die Wahrheit.
    Galen stand auf, er war bereit, das Festnageln der Bretter zu vollenden. Er sah auf seine verletzte Hand, dreckig und dunkel jetzt, rotbraun, und dachte, er würde sie vielleicht niemals saubermachen. Er würde sie einfach sein lassen, was immer aus ihr wurde. Sie tat noch weh, aber nicht so heftig wie zuvor. Steif fühlte sie sich an.
    Er marschierte zum Holzstapel, um das nächste Stück zu holen, die Sonne drang herunter, und er blinzelte so viel im grellen Schein, dass seine Augen kaum geöffnet waren. Der Boden brannte ihm unter den Füßen. Die Füße waren ein Problem. Er wusste nicht, wie er mit bloßen Füßen den Tag überstehen sollte. Er versuchte, den Schmerz einfach zu ignorieren, versuchte, seine Füße als nicht zugehörig zu betrachten.
    Außerdem war ihm schwindlig, weil er nichts gegessen hatte, aber diesen Schwindel mochte er. Er konnte ihn benutzen, um alles andere zu überwinden. Er schleifte ein zwei Meter langes Brett zur Schuppenwand und legte es an, schlug behutsam einen Nagel ein, versenkte ihn und hob das andere Ende an, um einen weiteren Nagel einzuschlagen und zu versenken.
    Ich habe einen neuen Plan, sagte seine Mutter.
    Ich will deinen Plan nicht hören.
    Dieser ist gut. Er wird dir gefallen. Ihre Stimme war ein bloßes Flüstern von irgendwoher in der Dunkelheit des Schuppens.
    Galen musste einen Nagel in jede vertikale Planke schlagen, um alle zu verbinden. Jedes horizontale Brett ein Sitzgurt mit einem Dutzend Nägeln. Das würde etwas dauern.
    Ich habe ein zweites Scheckbuch, sagte sie. Als Verwalterin des Treuhandvermögens.
    Interessiert mich nicht.
    Da ist die Summe unbegrenzt.
    Halt bitte den Mund.
    Galen, du könntest eine Million Dollar bekommen, mehr als eine Million. Du könntest alles abheben oder mir vielleicht ein bisschen was übrig lassen, und dann könntest du weggehen, und wenn du in Sicherheit bist, könntest du die Polizei oder die Feuerwehr anrufen, damit sie mich hier rausholen.
    Galen versuchte, sich aufs Hämmern zu konzentrieren. Die Sonne erbarmungslos, ein Feuer auf seinem Rücken, und seine

Weitere Kostenlose Bücher