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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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vielleicht spüren wir auf diese Weise auch unsere früheren Leben. Ihre Schatten und ihre Weisung, nichts jedoch, was wir noch sehen könnten. Sie warten und sammeln sich und machen sich auf andere Weise bemerkbar, sodass jede Entscheidung, die wir treffen, bereits getroffen ist und jede Zufallshandlung gesteuert und das Ich überhaupt keine Illusion, sondern etwas, das niemals stirbt.

 
 

 

 
    D as Scheckbuch so klein, so schlicht. Eine unmögliche Vorstellung, dass darauf über eine Million Dollar sein sollten. Seit Jahren wollte er einen Walkman. Ein Walkman kostete etwa sechzig Dollar. Er hatte aufs College gewollt, und das hätte vielleicht zehntausend Dollar im Jahr gekostet. Er hatte für ein Jahr ins Ausland gewollt, und er wusste nicht, was das gekostet hätte, aber wahrscheinlich nicht viel mehr als ein College-Jahr. Alles war möglich gewesen, an Ort und Stelle, aber seine Mutter hatte nein gesagt.
    Er begriff nichts von all dem, was mit seiner Mutter zu tun hatte, nichts. Dass sie ihn hierbehalten wollte als eine Art Ersatz-Ehemann. Er hatte keine Ahnung, wer sie war oder wie man aus ihr schlau wurde.
    Er ging hinaus auf den Rasen, um einen Stift aus dem Krempel zu kramen. Das musste er heute alles verbrennen. Seine Aufgaben türmten sich. Er musste auch die Bretter noch fertig annageln und den kleinen Graben um den Schuppen zu Ende ziehen, und es war schon Nachmittag.
    Er setzte sich unter den Feigenbaum, in seinen schönen Schatten an den schmiedeeisernen Tisch, und besah sich die Schecks.
    Du hast das Scheckbuch, krächzte seine Mutter.
    Genau.
    Lass mich unterschreiben.
    Okay. Er kniete sich an die Wand, schob das Scheckbuch durch die Lücke zwischen Boden und Schuppen und schob dann den Stift hinterher.
    Ich lasse den Betrag frei. Du kannst eintragen, was du willst.
    Unterschreib alle. Aber füll einige vollständig aus. Fang mit einem Scheck über 4300 Dollar an.
    Wieso 4300 Dollar?
    Weil das ein simpler Betrag ist. Weil es nichts ist.
    Okay.
    Und dann nehmen wir 47 500 Dollar. Galen wollte in den Feigenbaum klettern, um dort zu warten, aber er konnte nicht mit seiner kaputten Hand, also setzte er sich auf den schmiedeeisernen Stuhl am Tisch und blickte auf den Teil des Grundstücks, in den er nie ging. Hinter dem Haus und dem Rasen war ein Urwald aus Bäumen und Büschen, Land, das nie für die Plantage beansprucht worden war.
    Warum geht die Plantage hinten nicht weiter?, fragte er.
    Was?
    Das Gewirr auf der anderen Seite vom Rasen. Das ist ein großes Stück Land, und nichts ist damit geschehen. Keine Walnussbäume. Warum nicht?
    Das war Moms Land. Sie sollte einen Garten bekommen, aber dazu war nie Zeit.
    Wieso habe ich nie was davon gehört?
    Ich kann nicht sprechen. Wirklich nicht. Ich brauche Wasser.
    Kein Wasser.
    Dann kriegst du die Schecks nicht.
    Meinetwegen. Scheiß drauf. Ich muss sowieso wieder an die Arbeit. Er lief um den Schuppen herum und trat in die Hitze, unter die pralle Nachmittagssonne. Er wollte, dass ihm so schwindlig wurde wie nur möglich. Er nahm ein splittriges Brett, das irgendwo rausgerissen und zugerichtet worden war, schleppte es zum Schuppen und hielt es an die Wand.
    Er schlug einen Nagel ein und hämmerte und hörte seine Mutter kreischen, eine raue Stimme, wie er sie noch nicht gehört hatte, ein letztes Kreischen, das Ende einer Stimme. Es klang, als risse ihr die Kehle. Und das war ihm recht. Es war ihm scheißegal. Ich hab dich nicht gehört, brüllte er. Was hast du gesagt?
    Natürlich keine Antwort. Er hämmerte auf die heißen Nägel ein und beschloss, dass nicht jedes vertikale Brett einen brauchte. Das waren zu viele. Sie würden vom Sicherheitsgurt gehalten, ohne je einen eigenen Nagel zu benötigen.
    Er schleifte noch ein verunstaltetes Brett vom Stapel, dann noch eins, die Arbeit pendelte sich ein, und allmählich war der bleiche Boden auch nicht mehr so grell. Schatten bildeten sich in den Erdballen, und er schnallte eine weitere Seite des Schuppens fest, die mit dem Tor; links neigte sich die Sonne, die Zeit verstrich, ein Segen.
    Die Sonne kam ihm vor wie eine Zeugin, immer wachsam. Verständlich, dass die Azteken oder die Maya oder wer auch immer die Sonne anbeten. Nachdem sie einenganzen Tag gebrannt hatte, konnte ihr Untergehen wie ein Geschenk erscheinen. Man konnte anbeten, was einen beinahe zerstörte. Und wenn man allein war, konnte die Sonne sogar eine Begleiterin sein, die stetig mitwanderte, immer da war.
    Galen hörte ein

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