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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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Geräusch, das er seit Jahren nicht gehört hatte. Er erkannte es sofort. Die Anlasserkurbel des Traktors. Seine Mutter kurbelte, versuchte, den Motor anzuwerfen.
    Nein, sagte er. Er stand da mit dem Hammer und wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte nicht rein, und wenn er nicht reinkonnte, konnte er sie nicht aufhalten. Sie würde den Traktor in Gang setzen und durch die Wand brechen. Der Traktor würde das locker schaffen.
    Aufhören, sagte er. Sie kurbelte zwar langsam, bekam ihn aber vielleicht doch an. Galen stand am Tor, drückte sich dagegen, versuchte, durch den Spalt zu spähen, aber die Ritzen waren nicht breit genug, und es war zu dunkel da drin, zu hell hier draußen.
    Er rannte zum Geräteschuppen und schmiss alle Werkzeuge auf die Erde: Schaufeln und Picken und Harken, Scheren, Hacken. Er musste an der Wand zum Traktor Platz schaffen, dort würde er reinsehen können. Die Kurbel drehte sich, und sie wurde schneller.
    Warte, sagte er. Lass uns reden.
    Keine Antwort. Er drückte sich gegen das Holz, hob beide Hände, um das Licht auszublenden, und sah jetzt den großen Schatten des Traktors, der in seinem Blickfeld waberte. Aber vom Kurbeln konnte er sie immer noch nicht abhalten. Sie würde durch die Wand in diePlantage krachen, und es gab einen hohen Gang, der schnell war, einen Gang für die Straße.
    Galen trat von der Wand zurück und blickte auf all die Werkzeuge, die er auf die Erde geworfen hatte. Er brauchte so etwas wie einen Speer. Etwas, das er werfen konnte. Das war seine einzige Chance. Die Mistgabel. Damit würde es gehen. Sie war nicht groß, vier Forken von je fünfzehn Zentimetern, insgesamt fünfzehn Zentimeter breit. Er wog sie in seiner heilen Hand, fand die richtige Balance und schleuderte sie auf die Walnussbäume. Sie flog etwa zehn Meter, nicht so weit wie erwartet, aber geradeaus, genug vielleicht.
    Aber was hatte er eigentlich vor? Seine eigene Mutter mit einer Mistgabel aufzuspießen? Das ging nicht. Das gehörte nicht zu seinen Fähigkeiten.
    Galen stand in der Sonne, machte die Augen zu und suchte nach einem Weg. Sein einziger Gedanke war: Gefängnis. Weggeschleppt, in eine Zelle gesperrt, und nie wieder würde er den Tag sehen. Nie Bäume sehen, nie Erde, nie den Mond betrachten. Nie frei herumlaufen. Nie Jennifer sehen, nie nach Europa gehen, nie in einer Furche liegen und schlafen. Nie wieder die Berge sehen oder die Hütte, nie Kitaro hören oder Siddhartha lesen. Er würde in eine Schachtel gesteckt, und die Schachtel würde versiegelt und irgendwo auf Abruf ins Regal gestellt werden. Vielleicht würde man ihn dort einfach vergessen.
    Galen breitete die Arme aus und versuchte, seinem höheren Selbst zu folgen. Er versuchte, sein Kronenchakra zu öffnen.
    Er hörte die Kurbel, seine Mutter ackerte, drehte so schnell sie konnte, aber der Motor sprang nicht an. Wieso nur. Vielleicht musste er bloß aufwärmen, schwer zu glauben an einem so heißen Tag. Es waren knapp vierzig Grad.
    Der beängstigendste Gedanke war, dass das Gefängnis eine psychiatrische Anstalt sein könnte, ein Irrenhaus. Damit hatte sie gedroht, und dafür, dass er seine Mutter in einen Schuppen gesperrt hatte, könnten sie ihn da hinbringen. Viel schlimmer als allein in einer Schachtel: in einer Schachtel mit den Irren. Und den Medikamenten. Sie würden ihn damit so vollpumpen, dass er nicht mehr bei sich wäre. Wenn sie ihn einmal dort hatten, konnten sie alles mit ihm machen, und keiner hier draußen würde es jemals erfahren oder wissen wollen.
    Galen schüttelte den Kopf und die Hände und den ganzen Rücken, ein Schauder. Er ging nicht ins Irrenhaus. Er wollte da nicht hin.
    Er holte die Mistgabel. Wenn sie durch diese Wand kam, war er bereit.
    Er stand an der Ecke, wo er zwei Wände im Auge hatte, und lauschte der Kurbelei. Sie musste irgendwann erschöpft sein. Kurbeln war schwer, und sie war schon eine ganze Weile dabei. Sie ließ etwas nach.
    Die Sonne noch heiß auf Rücken und Nacken und Po und Beinen. Und was bot sich für ein Anblick, wenn jemand durch die Hecke in die Plantage kam? Galen bezweifelte, dass sich irgendjemand einen Reim darauf machen könnte. Er war nackt bis auf die Schuhe, verbrannt und mit Dreck zugekleistert, in seiner Hand eine Mistgabel als Speer, und er wartete, ein Wächter. Raue Bretter krumm um den Schuppen genagelt, darum ein Graben. Er wusste, es würde vollkommen wahnsinnig aussehen. Wenn man nicht dabei gewesen war, wenn man nicht jeden Schritt mit vollzogen

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