Drecksspiel: Thriller (German Edition)
Teufel, wie sie Wind von der Sache bekommen hatten. Natürlich gehörte auch Sackowitz zu ihnen und …
»Herr Risse!« Die Stimme des Polizeireporters hallte über die Straße.
Die Streifenbeamten, die vor der Tür und an ihren Autos warteten, blickten in Tonis Richtung.
Der nahm die Beine in die Hand und flitzte über den Mehringdamm auf und davon. Autofahrer gingen hupend in die Eisen. Über Tonis Kopf röhrte die U-Bahn.
»Toni, lass den Scheiß!«, folgte ihm Theis’ zornige Stimme.
Toni flüchtete in die erstbeste Seitenstraße, vorbei an Mietsilos, die im fahlen Laternenlicht noch hässlicher erschienen, als sie ohnehin schon waren. Irgendwo heulte ein Streifenwagen. Hinter ihm erklang das Echo hektischer Schritte.
Nach fünfzig Metern ging ein schmaler Pfad ab. Links ragte die mit kryptischen Farbschmierereien verunstaltete Rückseite eines Neubaus empor. Rechts sah Toni verwahrloste Hinterhöfe mit wild wucherndem Unkraut. Die meisten dieser Gärten dienten als Sperrmülllager: implodierte Fernseher, ausrangierte Mofas, rostige Fahrräder, Unmengen unnützes Zeug.
Der Weg mündete in eine Straße. Toni wartete, bis ein LKW vorüber war, dann hastete er auf die andere Seite und in eine dunkle Gasse, die sich nach wenigen Metern teilte.
Ohne zu überlegen, nahm er den Weg nach rechts, die nächste Abzweigung links, etliche Meter geradeaus, wieder nach rechts, immer weiter, bis er irgendwann völlig die Orientierung verloren hatte.
Seinen Verfolgern schien es aber ebenso ergangen zu sein. Von seinen Kollegen war weit und breit nichts mehr zu sehen.
Er gönnte sich eine kurze Pause. Hinter seiner heißen Stirn pochte der Schmerz, Schweiß tropfte ihm von den Wangen. Ihm war, als erwachte er aus einem Alptraum.
Was zum Teufel tat er hier?
Verfickte Scheiße!
Er befand sich auf der Flucht.
Natürlich wusste er, was das bedeutete, er selbst hatte jahrelang nach dem Prinzip ermittelt: Wer flüchtet, der hat einen Grund dafür.
Aber er war nicht schuld an Leylas Tod. Irgendwie musste er das beweisen.
Er brauchte einen klaren Kopf. Er brauchte Ruhe. Und er brauchte Hilfe.
Wenn du Hilfe brauchst …
Nein, von Theis konnte er keine Hilfe mehr erwarten.
Toni trabte los.
*
David hielt am Straßenrand. Er rieb sich die Schläfe, als könnte er auf diese Weise die Schuldgefühle vertreiben.
»Was denn nun?«, motzte Peter.
David öffnete den Browser seines iPhones und googelte nach dem Club Amour. Auf dessen Website klickte er sich durch die Bilder, die die sogenannten Models präsentierten. »Was weißt du über das Mordopfer?«
»Sie nannte sich Leyla. Ihr richtiger Name war Marlene Nedel, gerade mal neunzehn und schon seit Jahren im Milieu. Man hat sie mehrere Male aufgegriffen, aber am Ende landete sie immer wieder auf der Straße.«
David betrachtete die Bilder des Mädchens. Weder ihr junges, hübsches Gesicht noch die anzüglichen Posen vermochten die Narben auf ihrer Seele zu kaschieren. »Hatte sie Angehörige?«
»Die Eltern hatten schon lange keinen Kontakt mehr zu ihr, ebenso wie ihr Bruder Philip Nedel, irgendein Werbefuzzi aus Mitte. Ihm galt allerdings ihr letzter Anruf kurz vor ihrem Tod, weswegen die Kollegen nach ihm suchen. Seltsamerweise ist er mit seiner Frau Hannah verschwunden.«
David dankte ihm und beendete das Gespräch. Er öffnete einen weiteren Browsertab und googelte nach dem Ehepaar Nedel. Zu Hannah Nedel fand er nichts. Anders ihr Gatte Philip Nedel, der am Hackeschen Markt eine Werbeagentur betrieb. Die Pixelschubser. Deren Website enthielt unter anderem auch ein Foto von ihm, ein typischer Unternehmer aus Mitte, jung, smart, hip.
Dass er ausgerechnet jetzt mitsamt seiner Frau verschwunden war, konnte kein Zufall sein, ebenso wenig wie der Mord an seiner Schwester.
Marlene Nedel hatte im Club Amour angeschafft, in jenem Bordell, in dessen Nähe gestern Morgen die Lösegeldübergabe vonstatten gegangen war. Dieser Puff wurde betrieben von Janowski, der mit der Entführung von Shirin Rosenfeldt in Verbindung stand. Und mit Janowski war David auf der Suche nach Milan aneinandergeraten. Überhaupt klang dieses übertriebene Mordszenario nicht nach der Tat eines eifersüchtigen, durchgeknallten Polizisten, sondern nach … Milan.
Hatte er Marlene Nedel umgebracht? Und weshalb? Was hatte sie mit der Entführung zu tun?
David schloss die Website der Werbeagentur. Er wollte auch die des Club Amour wegklicken. Dabei fiel ihm ein winziger Schriftzug ins Auge. Nur
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