Drecksspiel: Thriller (German Edition)
Qual.
Janowski schien das Wetter nichts anzuhaben. Trotz seiner Verletzungen wurde sein Vorsprung von Sekunde zu Sekunde größer.
Er rannte weg von seinem Wagen, in die Richtung, aus der er gekommen war. Gesundbrunnencenter. Außerdem befand er sich auf der anderen Straßenseite.
Ein paar hundert Meter weiter tauchte zwischen Baumwipfeln das grüne Symbol einer S-Bahn-Station auf. Das Rumpeln eines einfahrenden Zuges dröhnte bis auf die Straße.
David fluchte.
Wenn er Janowski nicht aufhielt, würde dieser mit der Bahn entwischen. Doch während Janowski leichtfüßig rannte, schlug David das Herz bereits bis hinauf zum Hals. Seine Lunge brannte.
Janowski warf einen Blick über die Schulter. Ein Fehler. Prompt prallte er mit einem älteren Herrn zusammen. Der Rentner schimpfte, während sein Gesicht rot anschwoll. Janowski stolperte, fing sich und rannte weiter, wich jetzt flink wie ein Wiesel den Passanten aus.
Doch David war ihm näher gekommen.
Zu nahe, als dass Janowski noch rechtzeitig den Zug hätte erwischen können. Er hetzte stattdessen am Bahnhof vorbei.
Kurz darauf wichen die Häuser von der Straße zurück, schufen Platz für eine Fabrik auf Davids Straßenseite. Gegenüber verlief das Geländer, das den Fußweg vom S-Bahn-Graben trennte. Hier waren nur noch wenige Leute unterwegs.
David verspürte ein heftiges Stechen in seiner linken Seite, das ihn mit jedem Schritt mehr behinderte. Sein Abstand zu Janowski wurde wieder größer.
Dieser schwang sich in einer geschmeidigen Bewegung über das hüfthohe Gitter. Er grinste David an, streckte den Mittelfinger aus und stieß sich von dem Geländer ab. Er sprang und war verschwunden.
David rannte über die Straße. Ein PKW wich ihm aus. Unter das zornige Hupen mischte sich ein Schrei. Eine Frau mit Kinderwagen blieb wie angewurzelt stehen, die Hände vor den Mund geschlagen, die Augen erschrocken aufgerissen. Der alte Mann, den Janowski vor wenigen Sekunden fast zu Boden gerempelt hatte, hastete herbei.
David erreichte den Bahndamm noch vor ihm, gerade rechtzeitig, um zu begreifen, was geschehen war: Auf dem abschüssigen Hang musste sich das Gestein unter Janowskis Schuhen gelöst haben. Er hatte den Halt verloren. Er ruderte mit den Armen, als könnte er so seinen Sturz in die Tiefe abbremsen. Das Geräusch, mit dem er auf dem Gleisbett aufschlug, war bis oben auf den Bahndamm zu hören. Eine S-Bahn rauschte heran.
»Oh mein Gott!«, rief die Frau.
Janowski versuchte sich aufzurichten, doch eines seiner Beine knickte unter ihm weg. Er sackte erneut zu Boden. Der Zug kam näher.
»Passen Sie doch auf!«, brüllte der rotgesichtige Rentner.
Janowski robbte zur Seite. Zu spät. Sein Schrei wurde vom Quietschen der Bremsen verschluckt. Dann rollte der Zug über ihn hinweg, schleifte ihn über den Schotter, zermalmte ihn zu blutigen Fetzen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Waggons endlich zum Stillstand kamen.
»Hey«, Maria schlappte auf David zu, »wo ist er hin?«
*
Angst kroch zusammen mit dem Schweiß über Tonis Körper und verschlug ihm für einen Augenblick die Sprache.
»Toni?«, fragte sein Kollege. »Bist du noch dran?«
»Was machst du vor meiner Wohnung?«
»Ich soll dich abholen und zur Obduktion fahren«, erklärte Blundermann, als wäre es das Normalste der Welt. Was es auch war. Nur nicht heute. »Weil doch deine Schrottkiste in der Werkstatt ist. Sagte Frank.«
Toni wollte Erleichterung verspüren, aber sie stellte sich nicht ein.
»Also, liegst du noch im Bett?«
»Ich bin kurz einkaufen«, log Toni, »und …« Er musste die Frage einfach stellen. »Hast du schon was von der Spurensicherung gehört?«
»Nein, das dauert noch. Aber ich bin auf etwas Interessantes gestoßen.«
Am Himmel verdunkelten Wolken die Sonne. Schatten krochen über den Asphalt.
Toni war sich nicht sicher, ob er erfahren wollte, was sein Kollege herausgefunden hatte. Aber vielleicht war es ja eine Spur, die ihn schneller voranbrachte als das Bemühen, Tatjana Leroux zu erreichen?
»Warte!«, sagte Toni und wechselte, noch ehe Blundermann etwas erwidern konnte, das Gespräch. »Herr Lorenz, sind Sie noch dran?«
»Ja, bin ich«, singsangte es.
»Was halten Sie davon: Ich mache ein Foto meines Dienstausweises und sende es Ihnen per MMS. Würde Ihnen das genügen?«
»Wofür?«, zweifelte Lorenz.
»Um Frau Leroux anzurufen.«
»Selbst wenn ich wollte, ich …«
»Sie hat doch ein Handy?«, fragte
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