Drecksspiel: Thriller (German Edition)
Toni.
»Selbstverständlich.«
»Gut, dann rufen Sie sie … Nein, vorher schicken Sie ihr ein Bild, das ich Ihnen ebenfalls per MMS sende. Und dann soll sie Ihnen sagen, wer die Personen auf dem Foto sind. Können Sie sie das fragen?«
»Ja, normalerweise schon, aber …«
»Was denn noch?«, maulte Toni.
»Tatjana befindet sich auf einem Fotoshooting in Istanbul. Ich weiß nicht, ob …«
»Tun Sie’s einfach!«, unterbrach Toni. Er ließ sich Lorenz’ Handynummer geben. »Ich schicke Ihnen gleich die Bilder. Und dann rufen Sie sie an. Ach, und Herr Lorenz …«
»Ja?«
»Es ist verdammt noch mal scheißwichtig!« Toni kappte das Gespräch.
Blundermann pfiff gelangweilt vor sich hin.
Toni war irritiert. »Was pfeifst du da?«
»Die ›Kleine Nachtmusik‹.«
Manchmal nahm das Leben tatsächlich einen seltsamen Verlauf.
Toni bemühte sich, nicht allzu angespannt zu klingen. »Was hast du herausgefunden?«
»Das erzähl ich dir während der Fahrt zur Gerichtsmedizin.«
»Nein«, sagte Toni. »Jetzt!«
*
David wischte sich die schweißnasse Stirn. Sein Gesicht glühte. Noch heißer allerdings kochte die Wut in ihm.
Ruhe bewahren.
Eine weitere seiner Regeln. Deren Einhaltung ihm allerdings zunehmend schwerer fiel, zumindest was Maria betraf.
»Ist er abgehauen?«, fragte sie.
David versperrte ihr den Weg. »Hast du den Verstand verloren?«
Erschrocken wich sie zurück.
»Was hast du dir bloß dabei gedacht?«
»Ich wollte doch nur …«
»Sei still!«
Die Frau mit dem Kinderwagen hielt ihr Handy ans Ohr. Stammelnd verständigte sie den Notarzt. Aber der würde nichts mehr retten können, so viel war sicher.
Noch mehr Schaulustige reihten sich am Geländer auf, beglotzten wie Aasgeier den Lokführer, der unten aus dem Zug sprang. Er glitt in einer Pfütze aus Blut aus, wankte einige Schritte. Dann erbrach er sich in den Schotter.
»Der ist ihm einfach vor den Zug gesprungen«, sagte jemand.
»Er hat sich umgebracht?«, fragte ein anderer.
Maria drängte an David vorbei. »Was ist da los?«
Er hielt sie fest. »Du fährst jetzt nach Hause! Sofort!«
»Aber …«
»Willst du Ärger mit deinen Eltern bekommen?«
»Noch mehr Ärger?« Sie schnaubte. »Geht ja kaum noch.«
Von irgendwo näherten sich mit Sirenen der Notarzt und die Polizei. Er musste Maria so schnell wie möglich von der Unglücksstelle fortschaffen, damit sie nicht noch mehr Unheil anrichtete.
Errege keine Aufmerksamkeit.
Widerstrebend begleitete sie ihn zum Taxi, dessen Fahrer mit laufendem Motor und dudelndem Türkpop in der Seitenstraße wartete.
David schob Maria auf den Rücksitz. Mit einem Blick auf das Taxameter zückte er sein Portemonnaie und drückte dem Fahrer einige Euroscheine in die Hand. »Zur Lassenstraße nach Zehlendorf.«
»Und was ist mit Shirin?«, fragte Maria.
»Um deine Freundin kümmere ich mich. Hast du verstanden?«
Sie öffnete den Mund. Sein vernichtender Blick brachte sie zum Schweigen.
»Hast du verstanden?«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, schlug die Wagentür zu und schaute dem Taxi nach, bis es hinter der nächsten Kurve verschwunden war.
Dann stoppte er ein anderes Taxi, das ihn zurück nach Kreuzberg brachte, wo er vor nicht einmal anderthalb Stunden seinen eigenen Wagen zurückgelassen hatte. Ihm kam es vor, als wäre seitdem eine Ewigkeit vergangen. Eine Ewigkeit, in der viel geschehen war – und ein Mensch gestorben.
David spürte Übelkeit in sich aufsteigen, atmete tief durch, schmeckte salzigen Schweiß auf den Lippen. Er sehnte sich nach einer Dusche, frischen Klamotten, Ruhe, einem klaren Kopf. Auf seinem Handy wählte er Peters Nummer.
»Was ist denn jetzt schon wieder?«, maulte der.
»Du musst einen gewissen Kristian Janowski überprüfen. Ich brauche alles, was du finden kannst.«
»So langsam strapazierst du unsere Freundschaft, das ist dir hoffentlich klar.«
»Nein!« David legte auf.
Am Bahndamm stand ein Rettungswagen mit blinkendem Blaulicht. Polizisten befragten die Schaulustigen. Es würde dauern, bis die Beamten Janowskis Leiche oder das, was unter den Rädern des Zuges von ihm übrig geblieben war, identifiziert hatten. Trotzdem blieb David nicht mehr viel Zeit. Um Shirin kümmere ich mich.
Wenn Janowski ihr Entführer war oder zu den Entführern gehörte und plötzlich nicht mehr zurückkehrte, dann war Shirin erst recht in Gefahr. Wenn sie nicht ohnehin schon …
David wollte den Gedanken nicht weiterspinnen, doch er kam nicht umhin.
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