Drecksspiel: Thriller (German Edition)
greifen können, dazu hing es viel zu hoch in der Halterung.
Hannahs Blick fand das aufgeklappte Kamingitter. Millie brabbelte munter vor sich hin. Ihre Mutter schöpfte neuen Mut.
Ja, Würmchen ,dachte sie , das könnte klappen.
Sie hob ihre Füße vom Boden und ließ sie so lange kreisen, bis das taube Gefühl endlich schwand. Dann schwang sie ihren Oberkörper vor und zurück, damit der Stuhl zu schaukeln begann. Als er nach vorne kippte, bemühte sie sich um Halt auf ihren Füßen. Doch der Schwung war zu stark und der Stuhl auf ihrem Rücken zu schwer. Sie taumelte vorwärts.
Halt dich aufrecht!
Sie durfte nicht hinfallen.
Einundzwanzig
David leckte sich Salz von den Lippen. Mit Cola light spülte er den letzten, pappigen Burgerbissen hinunter, ließ die Brause kurz in seinem Mund sprudeln.
Schwarze Wolken verfinsterten die Stadt. Windböen fegten Abfall über die Straßen. In der Ferne grollte Donner. Inzwischen kribbelte Davids Narbe wie verrückt.
Er stieg die zwei Stufen hoch zum Brechts. Das Restaurant, das sich in einem prunkvollen Gründerzeitbau befand, wurde seinem edlen Ruf gerecht.
In seiner Chino und dem verschwitzten Hemd erntete David abfällige Blicke. Bevor der Portier ihn allerdings aufhalten konnte, schritt er quer durch das Lokal auf Matthias Steinmann zu. In dessen Begleitung befand sich ein platinblondes Mädchen von etwa zwanzig Jahren – und vermutlich auch Kilogramm. Den paar Salatblättern nach zu urteilen, die sich auf ihrem riesigen Teller verloren, war sie wild entschlossen, dieses Gewicht zu halten.
David sagte: »Herr Steinmann.«
»Ja, bitte?«
»Theodor Rosenfeldt schickt mich.« David setzte sich an den Tisch.
Das Püppchen verzog angesäuert die aufgespritzten Lippen. Ihre Brüste wölbten sich aus dem Dekolleté.
Steinmann überspielte routiniert sein Missfallen. »Möchten Sie die Karte?«
»Nein, zu wenig für zu viel Geld.«
»Ach Gott«, der Architekt lachte. »Ab und zu sollte man sich schon etwas gönnen.«
»Wenn man es sich leisten kann.« David behielt sein Gegenüber aufmerksam im Auge.
Aber falls Steinmann Verdacht schöpfte, ließ er es sich nicht anmerken. Er fragte: »Sie sind ein Freund von Theodor?«
»Nicht direkt. Jemand, der ihm helfen möchte.«
»Und wie kann ich Ihnen helfen?«
»Erzählen Sie mir von Ihrem Projekt an der Kurfürstenstraße.«
»Also darum geht es.« Steinmann lächelte. »Lassen Sie es mich so sagen: Das älteste Gewerbe der Welt war schon immer ein gutes Geschäft.«
Die Freimütigkeit, mit der er sprach, war überraschend, der Inhalt weniger. Auf der Herfahrt hatte David bei einer raschen Google-Recherche herausgefunden, dass Steinmann noch mehr als die fabelhaften Rosenfeldts Stammgast auf den Boulevardseiten der Berliner Zeitungen war. Viele Fotos hatten ihn Arm in Arm mit wechselnden Blondinen gezeigt, eines auch an der Seite von Rolf Eden. Blond und sonnengebräunt, in seinem blauen Hemd, der weißen Stoffhose und den Wildlederslippern hatte Steinmann darauf gewirkt wie eine verjüngte Ausgabe des Berliner Playboys. Und wie dieser schien auch Steinmann über vorzügliche Kontakte zur Hauptstadtpresse zu verfügen. Sein Name war kein einziges Mal, nicht in der kleinsten Randnotiz, in Verbindung mit den portugiesischen Bordellplänen genannt worden.
»Diesmal wurde nichts aus dem Geschäft«, sagte David.
»Sie wollen die Gründe dafür wissen?«
Davids iPhone summte. Flieg, flieg, fahr aus der Haut. Die Gäste am Nachbartisch rümpften die Nasen. Er blickte kurz auf das Display. Jessica, seine Düsseldorfer … Affäre . Er drückte ihren Anruf weg.
Steinmann beschrieb mit der Hand einen Kreis, der die umsitzenden Wirtschaftsbosse, Politiker, Schauspieler und Popstars umfasste. »Seilschaften. Wie immer in Berlin.«
»Es hat Sie viel Geld gekostet.«
»Ist es das, was Theodor Ihnen erzählt hat? Dass es unserer Firma schlecht geht, weil ich in ein Bordell investiert habe?«
»Matthias!«, piepste die Blondine.
»Was ist denn, mein Schatz?«
»Dauert es noch lange?«
»Nein, das Essen kommt sicher jede Sekunde.« Steinmann nahm seine Gabel und pickte ein Salatblatt vom Teller. »Ich kann Ihnen versichern, das Bordell allein trägt sicher nicht Schuld an der Insolvenz.«
»Insolvenz?«
Steinmann lachte auf. »Davon hat Theodor Ihnen nichts erzählt, richtig? Nein, natürlich nicht, er will es nicht wahrhaben. Genauso wenig wie die Tatsache, dass er selbst seinen Teil zur Pleite beigetragen
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