Drei Eichen (German Edition)
und Entspannung am wichtigsten. Die Aufgabe bestand darin, sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, das kleine gelbe Feld zu treffen. Sie hob ihren sündhaft teuren Bogen der Marke Hoyt, zielte und schoss in aller Ruhe ihre letzte Serie. Sofort brandete unter den Umstehenden Jubel auf. Das halbe College hatte sich um den Schießplatz versammelt. In der letzten Stunde hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, dass hier und heute etwas Besonderes geschah. Eine deutsche Gaststudentin schickte sich an, Collegegeschichte zu schreiben.
Franziska Büchler ging unter dem Jubel der Mitstudenten zu ihrem letzten Trefferbild. Siebzig Meter entfernt zogen die Sportdozenten gerade ihre Pfeile aus der Hartschaumscheibe. Sie hatte keine elf Punkte geschossen, sondern zwei Mal die Zehn und ein Mal knapp die Neun getroffen. Mit insgesamt neunundzwanzig Punkten in der letzten Serie hatte sie den Collegerekord mal eben um glatte achtzehn Punkte nach oben geschraubt. Das würde ihr nicht nur die Höchstnote in diesem Fach ihres Sportstudiums einbringen, sondern auch einen Ehrenplatz in der Ahnengalerie des Schützenhauses des altehrwürdigen Bow Courts.
»This is a historical moment, a new level.« Stolz lächelnd schüttelte ihr der betagte Leiter des berühmten White Cotton College die Hand.
Lagerfeld ergriff als Erster das Wort. »Wenn du wirklich recht haben solltest, Franz, dann ist das eine ziemlich abgefahrene Geschichte, bei der mir aber immer noch das Motiv fehlt. Wer sollte denn konsequent an Pfingsten Menschen mit Pfeil und Bogen erschießen? Das ist doch krank.«
»Darin stimme ich Bernd vollkommen zu«, mischte sich nun auch Huppendorfer ein. »Oder haben die Mörder vielleicht gar kein richtiges Motiv, sondern veranstalten diese Psychopathen einfach nur eine Art Killerolympiade? Jetzt mal im Ernst, da könnte doch was dran sein.«
Haderlein schaute ihn einen Moment lang an. Eine Art Wettbewerb der Mörder? Das klang zwar abwegig, aber wie hatte es doch schon Einstein dem Sinn nach so schön formuliert? Eine Idee, die nicht verrückt genug klingt, ist es nicht wert, weiterverfolgt zu werden. Und mangels besserer Alternativen konnte man Huppendorfers Annahme ja wenigstens in Betracht ziehen.
»Aber wieso bringen diese Typen dann Jahre später plötzlich in aller Öffentlichkeit einen Menschen auf dem Staffelberg um, wenn sie vorher immer im Geheimen gearbeitet haben? Das ist doch seltsam«, warf Lagerfeld ein. »Wenn es einen Zusammenhang zwischen den Fällen gibt, muss es für den Mord auf dem Staffelberg einen anderen Beweggrund geben. Vielleicht Rache, der Mord hatte ja durchaus den Anschein einer öffentlichen Hinrichtung. Wer das Risiko auf sich nimmt, einen Mann aus dieser Entfernung mit einem Bogen zu töten, der will mit der öffentlichen Mordart doch etwas kommunizieren, oder was meint ihr?«
»Seht alle her, ich hab dieses Schwein mit Pfeil und Bogen umgebracht«, spann Huppendorfer den Gedanken weiter.
»Auf die gleiche Art, mit der er versucht hat mich umzubringen oder mit der er bei einem Menschen erfolgreich war, der mir nahestand und den ich hiermit gerächt habe«, beendete Haderlein die Schlussfolgerung, und die beiden Kommissare nickten ihm beipflichtend zu. »Was meint ihr, wie schwer ist das wohl, auf siebzig Meter Entfernung jemanden mit dem Bogen zu erschießen?«, überlegte der Kriminalhauptkommissar weiter. »Da muss man doch sicher eine Ausbildung gemacht haben oder mindestens in einem Verein gewesen sein.« Fragend schaute Haderlein seine jungen Kollegen an, von denen Huppendorfer bereits diensteifrig nickte.
»Ich habe mich schon informiert. Für Laien sollte das eigentlich unmöglich sein, für Trainierte hingegen kein Problem. Siebzig Meter ist die normale Wettkampfdistanz im Bogensport. Bei stabilen Wetterbedingungen treffen Schützen auf diese Entfernung ohne große Probleme einen Suppenteller. In Bamberg gibt es für Bogensportartikel eine angesagte Adresse, ›Stefans Outdoorladen‹. Ich habe dort angerufen und mich vom Besitzer aufklären lassen.«
Haderlein nickte stumm. Bei dem Laden würde er zu gegebener Zeit mal vorbeischauen.
Kollege Bernd Schmitt hatte sich derweil noch einmal die Unterlagen zu den vier Opfern von den Eierbergen geschnappt. Als er die Informationen zu dem damals verschwundenen Felix Groh studierte, stutzte er plötzlich. »Du, Franz, du hast damals anscheinend nicht nur die Sache mit der Lehrerin untersucht, sondern auch den Fall mit diesem Felix
Weitere Kostenlose Bücher