Drei Eichen (German Edition)
des Fensters mit hellem Klirren und löste damit die Alarmanlage aus, die durch einen separaten Stromkreis gespeist wurde. Sofort war in der Scheune das laute Heulen einer Sirene zu hören und eine nicht sehr helle, aber ihren Zweck erfüllende Notbeleuchtung sprang an. Schurig ging sofort wieder in die Hocke, bevor er sich ganz langsam erneut etwas aufrichtete und triumphierend zu dem weiblichen blonden Eindringling nach unten schaute. Wahrscheinlich würde die Tussi jetzt rennen, was das Zeug hergab.
»Bei Ihrem getöteten Heiratswilligen vom Staffelberg bin ich jedoch erstaunlicherweise zu ganz anderen Ergebnissen gekommen, Haderlein«, ging Siebenstädter nun zu dem Mordopfer jüngeren Datums über. »Erstens war der verwendete Pfeil von anderer Bauart und zweitens die Eindringtiefe des Geschosses bei Weitem nicht so groß. Der Pfeil hat keinen einzigen Knochen touchiert und es gerade mal geschafft, den Brustkorb zu durchdringen und das Hemd des Toten leicht zu beschädigen. Durch meine umfassenden Testreihen am Gemeinen fränkischen Hausschwein konnte ich für diesen Bogen eine maximale Zugkraft von achtundzwanzig Pfund ermitteln. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was bei Ihrem Mörder in der Vergangenheit der Fall war. Meiner maßgeblichen Meinung nach könnte das geringere Zuggewicht unter Umständen auf einen weiblichen Schützen hindeuten. Ich betone, es könnte darauf hindeuten, muss es aber nicht. Bei sämtlichen Leichen wiederum konnte ich anhand der Proben aus dem Körper, soweit noch vorhanden, keinerlei verdächtige Ergebnisse ermitteln, keine Gifte, keine sonstige erkennbare Gewalteinwirkung. Also können wir fürs Erste daraus schließen, dass die entsprechenden Menschen unmittelbar und ausschließlich an den Folgen der Pfeilschüsse gestorben sind.«
Haderlein notierte alles fleißig mit, während Lagerfeld die Seitenscheibe heruntergelassen und seinen Kopf mit dem dünnen Zopf an den Fensterrahmen gelehnt hatte, um den Bauernhof gegenüber zu beobachten. Es tat sich nicht das Geringste, bis plötzlich aus Richtung der Scheune der laute und schrille Ton einer Alarmsirene zu hören war. Haderlein schaute verblüfft von seinen Notizen auf, während Lagerfeld sich seinen Kopf so unsanft am Rahmen stieß, dass ihm fast seine geliebte Sonnenbrille heruntergefallen wäre.
Haderlein schaffte es gerade noch, ein »Sorry, Siebenstädter, wir müssen!« ins Handy zu rufen, dann zog er seine Waffe und öffnete zeitgleich mit Lagerfeld die Wagentüren. Mit Haderleins Pistole im Anschlag liefen sie erst über die Straße, dann über den Hof, vorbei an einem orangefarbenen alten BMW bis zur geöffneten Scheunentür. Beiläufig bemerkte Haderlein, dass der Schlüssel zu der schweren Tür sogar noch im Schloss steckte. Von drinnen war nur das infernalische Sirenengeheul zu hören.
Lagerfeld begann laut irgendetwas von »Achtung, Kriminalpolizei, kommen Sie heraus!« zu brüllen, aber der Alarm war so laut, dass niemand im Inneren der Scheune Lagerfelds Geschrei verstanden hätte. Haderlein gab seinem Kollegen ein Zeichen, dass dieser links um das Haus herumgehen und nach einem eventuellen Hintereingang suchen sollte. Lagerfeld verschwand, während Haderlein innerlich bis zehn zählte, bevor er mit vorgehaltener Dienstwaffe in die Scheune stürmte. Er ging auf die Knie, um die direkte Umgebung zu sichern, aber niemand war zu sehen – nur Oldtimer, die jeden Quadratzentimeter der Scheune bedeckten. Haderlein drückte sich an die Scheunenwand und bewegte sich vorsichtig nach links, von wo das Sirenengeheul herkam. Er hatte kaum zwei Schritte in die Richtung gemacht, als hinter ihm das Tor zugeschoben wurde. Sofort drehte er sich um und eilte zurück, doch es war zu spät. Von außen wurde der Schlüssel umgedreht, dann folgten Schritte einer davonrennenden Person. Sekunden später drang das Schlagen einer Autotür an sein Ohr, und als er den Motor des BMW draußen aufheulen hörte, wusste er, dass sie verarscht worden waren. Er trat noch immer wütend gegen das verschlossene Scheunentor, als Lagerfeld von der Rückseite der Scheune auf ihn zugelaufen kam. Er hatte anscheinend einen Hintereingang gefunden.
»Siebenstädter hat recht, wir sind Idioten!«, brüllte ihm Haderlein durch das Sirenengeheul zu. Doch Lagerfeld hatte ob des Lärms nichts verstanden und schaute ihn nur fragend an. Haderlein zog den Kopf seines jungen Kollegen heran. »Idioten! Wir sind Idioten!«, schrie er ihm ins Ohr, hob dann
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