Drei Eichen (German Edition)
fragte Schurig ängstlich, bekam aber keine Antwort. Im Gegenlicht konnte er das Gesicht der Person nicht erkennen und auch nicht, was sie in der Hand hielt. Panik stieg in ihm auf, er musste irgendwie von der Hebebühne herunter. Verzweifelt schaute er sich um, aber die Höhe war zu groß zum Springen. Wenn überhaupt, dann konnte er nur versuchen, nach oben aufs Dach zu gelangen. Von dort könnte er dann nach Hilfe rufen. Er blickte noch einmal zu dem geheimnisvollen Eindringling. Nach der Statur zu urteilen, musste es sich um eine Frau handeln. Sie trat näher an ihn heran. Jetzt konnte er sie besser sehen. Sie lächelte ihm mit einer angsteinflößenden Ruhe zu. Ein verzweifeltes Stöhnen entrang sich seiner Brust, dann drehte Schurig sich um und begann hektisch zu klettern.
Lagerfeld steuerte Haderleins Freelander, während dieser die Adresse in das Navigationssystem eingab.
»Was ist denn jetzt mit diesem Schurig? Warum müssen wir zu dem so schnell hin?«, fragte Lagerfeld.
»Roland Schurig ist der ehemalige Hausmeister vom E . T . A . Hoffmann-Gymnasium in Bamberg. Ich habe ihn vor Jahren einmal vernommen. Aber das Pikante an diesem Umstand ist die Tatsache, dass Schurig derjenige ist, der Petra Ledang, unser Rollerskelett, das letzte Mal lebend gesehen hat. Und dann taucht er plötzlich als Helfershelfer des Jagdpächters auf den Eierbergen auf? Ich glaube ja an Zufälle, aber nicht an solche. Der Typ steckt so was von mit drin in dieser Sache, da gehe ich jede Wette ein.«
»Okay«, Lagerfeld begriff langsam die Zusammenhänge, »ich würde sagen, das reicht dann wohl ganz sicher für einen Haftbefehl.«
»Allerdings tut es das«, bestätigte Haderlein, während Lagerfeld auf die Autobahn Richtung Nürnberg fuhr und Vollgas gab.
»Wollen wir nicht die Bereitschaftspolizei für die Verhaftung alarmieren?«, fragte Lagerfeld sicherheitshalber nach, aber Haderlein schüttelte nur den Kopf.
»Wir machen das schön leise und unauffällig. Wir haben ja den Vorteil, dass Schurig mit uns nicht rechnet.« In diesem Moment klingelte Haderleins Handy. Er schaute auf das Display und verzog angewidert das Gesicht. »Bitte nicht«, stöhnte er, nahm das Gespräch aber trotzdem an.
»Aha, unser Superfahnder ist also auch am hohen Feiertag im Dienst. Na, das wird ihm der Steuerzahler sicher danken. Vor so viel Einsatz für das Gemeinwohl ziehe sogar ich den Hut.«
Haderlein schloss kurz die Augen, sammelte sich mühsam und öffnete sie wieder. »Siebenstädter. Tun Sie mir bitte einen Gefallen und sagen Sie kurz und knapp, was Sie von mir wollen. Wir sind gerade auf dem Weg zu einer Verhaftung. Also?«
Am anderen Ende entstand eine kurze Pause, dann war ein schwer beherrschtes Schnaufen zu hören, bevor der Leiter der Erlanger Gerichtsmedizin zu einer entrüsteten Entgegnung ansetzte. »Sonst geht’s Ihnen aber noch gut, was?«, blaffte der Professor ins Telefon. »Nur, um das mal klarzustellen: Sie wollen etwas von mir wissen, nicht umgekehrt! Meinen Sie vielleicht, ein Mann von meiner Stellung und meinem wissenschaftlichen Rang hätte es normalerweise nötig, an einem Feiertag Untersuchungen, ach, was rede ich, hochspezifische ballistische Versuchsreihen zu machen, die normalerweise erst ab übernächster Woche von irgendwelchen Dilettanten Ihres Mitarbeiterstabes durchgeführt worden wären? Und da kommen Sie jetzt daher und sagen mir, ich soll mich kurz fassen?«
Haderlein war von Siebenstädters Gefühlsausbruch komplett überrollt worden. »Nun, äh, also …«, brachte er heraus.
Der Professor krakeelte derweil einfach weiter. »Ich will Ihnen mal was sagen, Sie und Ihre Fachidioten, Sie wären doch ohne die Erlanger Gerichtsmedizin ein Nichts. Die Bamberger Polizei mit ihrem allseits bekannten Viertel- bis Halbwissen, die würde doch noch nicht einmal einen Ermordeten finden, wenn der ihnen auf den Kopf fiel. Also, wollen Sie jetzt meine Ergebnisse hören? Sollten Sie sich dazu entschließen, dann gebe ich diese aber vollständig wieder und nicht gekürzt von polizeilichen Gnaden!«
Haderlein resignierte. Er hatte heute wirklich keine Lust darauf, mit dem Professor zu streiten. Außerdem hatte der ja auch bis zu einem gewissen Punkt recht. Er hätte sich mit den Leichen nicht beschäftigen müssen, jedenfalls nicht vor Dienstag.
»Also gut, Professor. Ich habe zwar gerade überhaupt keine Zeit, aber noch weniger Lust, mich mit Ihnen zu duellieren. Deshalb bitte ich Sie jetzt höflich, mich wissen zu
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