Drei Eichen (German Edition)
ihm auch gut zuredete, zog und zerrte, das Staufach blieb verschlossen. Verdammter Mist, genau im wichtigsten Moment streikte das verdammte Teil. Verzweifelt schaute sie auf ihren Lippenstift, den Zettel und den Rollerschlüssel in ihren Händen. Wohin nur mit dem Zettel? Ihn unter das Kleid zu klemmen war ihr zu gefährlich, zum Schluss ging der während der Fahrt noch flöten. Kurzerhand schraubte sie die goldfarbene Kappe des Lippenstiftes ab. Der hellrosafarbene Stift lag sauber eingedreht in seiner Plastikhülle, der Deckel war leer. Eigentlich ein idealer Aufbewahrungsort für heimliche Telefonnummern, dachte sie zufrieden und rollte den Zettel so klein zusammen, dass er problemlos hineinpasste. Blieb nur noch die Frage, wo sie jetzt den kleinen Kosmetikartikel verstauen sollte. Das mit dem Fach konnte sie vergessen. So technisch unbedarft, wie sie war, würde sie das Ding nicht aufbekommen. Dafür war sie ausgesprochen gut im Improvisieren. Mit einem kleinen Extraschlüsselchen öffnete sie den durchgehenden schwarzen Sitz der Vespa, der den Tankdeckel bedeckte, und siehe da, der Lippenstift passte unter den Sitz zwischen eine der Metallfedern der Polsterung. Das würde auf jeden Fall fürs Erste halten. Zufrieden klappte Petra Ledang die Sitzbank wieder runter und zog sich ihr Kleid zurecht. Es war ein nagelneues Sommerkleid, der Preis war hoch gewesen, der Ausschnitt war dementsprechend tief. Wenn das nicht bei dem Mann wirkte, würde sie einen Besen fressen.
Umgehend schwang sie sich auf ihre Vespa und fuhr schnurstracks die Hügel der »Heiligen Länder« hinunter, wie man den Landstrich zu nennen pflegte, der kleinen Stadt Ebern entgegen. Sollte sie vielleicht endlich einmal in ihrem Leben Glück haben? Ihr Herz pochte ihr während der Fahrt bis zum Hals.
Das mit den Männern und Beziehungen war bisher so eine Sache gewesen. Für eine dauerhafte, tragfähige Beziehung hatte es in Bamberg noch nicht gereicht. Gut, sie kam selbst nicht aus Franken, war nur hierherversetzt worden, aber trotzdem wurde es Zeit, dass sich mal wieder etwas in der Richtung tat. Und da war sie durchaus bereit, den einen oder anderen Kompromiss einzugehen. Wenn der Mann schon wieder anderweitig liiert war, dann war er das eben. Auch egal. Es würde schon einen Grund geben, warum er sich mit ihr treffen wollte. Wieder erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht, während die blonden Locken aus ihrem weißen Helm herauswehten. Sie wusste genau, wie sie auf Männer wirken konnte, wenn sie es darauf anlegte, und genau das hatte sie vor.
Sie war nur noch wenige Kilometer von Jesserndorf entfernt, als sie vor sich auf der Straße, die mitten durch ein Waldstück führte, plötzlich einen Polizisten auf der Straße entdeckte, der sie mit seiner roten Kelle nach rechts von der Straße winkte. Widerwillig hielt sie an, ließ jedoch den Motor laufen und fragte den Beamten über den Lärm der Vespa hinweg, was denn los sei, sie habe es nämlich eilig.
»Nur eine Routinekontrolle«, sagte der Polizeibeamte freundlich. »Fahren Sie bitte weiter bis zu meinen Kollegen am Waldspielplatz, es wird nicht lange dauern«, versuchte er sie zu beschwichtigen, denn Petra Ledang machte ein verärgertes Gesicht.
Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Wegen dieser dämlichen Verkehrskontrolle kam sie jetzt womöglich noch zu spät zu ihrem wichtigsten Date seit Langem. Mit grimmigem Lächeln gab sie Gas und bog in den breiten Schotterweg ein. Wenn’s denn unbedingt sein musste, dann würde sie eben auch noch schnell einen fränkischen Polizisten bezirzen. Mit der freien Hand zog sie den Rand ihres Ausschnittes noch ein wenig weiter nach unten, sicher war sicher. Sie fuhr und fuhr, aber noch immer war kein Spielplatz in Sicht. Als sie schließlich etwas verunsichert die Geschwindigkeit verminderte und überlegte, ob sie sich womöglich verfahren habe, trat ein Mann vor ihr auf den Weg. Er war ganz in Schwarz gekleidet und richtete ein merkwürdig geformtes Gerät auf sie, das entfernt an einen Bogen erinnerte. Erschrocken zog sie an beiden Bremsgriffen, um ihre Vespa zum Stehen zu bringen, aber noch während das Hinterrad des Rollers durch den Schotter schlitterte, wurde sie von einem Stoß an ihrer linken Schulter getroffen. Der Schmerz, der darauf folgte, war kaum zu ertragen. Sie verlor die Kontrolle, rutschte vom Roller und fiel mit dem Rücken mitten auf den Weg, wo sie benommen liegen blieb, während sich die Vespa mit einem kurzen Krachen um den
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