Drei Eichen (German Edition)
normalerweise nicht gerade ungelegen kam. Erstens hatte er für so etwas ein Talent, zweitens war das für ihn die Chance, weitere Pluspunkte auf seinem Weg an die absolute Spitze zu sammeln. Da gehörte er nämlich eigentlich auch hin. Bei der CSU hatte er schließlich schon alle möglichen Ämter bekleidet. Generalsekretär, Sozial- und zuletzt bayerischer Finanzminister war er gewesen. Seine Chancen, das Amt des nicht mehr kandidierenden Ministerpräsidenten einzunehmen, hatten mehr als nur gut gestanden.
Leider hatte der praktisch schon abgetretene bayerische Ministerpräsident Teichhuber dann aufgrund der turbulenten politischen Lage doch noch einmal kandidieren wollen, und damit war der Weg nach ganz oben für ihn wieder einmal versperrt gewesen. Damit hatte es ihm gereicht. Er war kurzerhand ans andere politische Ufer gewechselt und hatte alles auf eine Karte gesetzt.
Die Chancen für ein eigenes Bundesland Franken standen aus seiner Sicht mindestens fifty-fifty, die bisherigen Wahlumfragen prognostizierten in Franken eine Zustimmung von fast sechzig Prozent, und bei der CSU hatte er karrieretechnisch in einer Sackgasse gesteckt. Er hatte nicht lange gefackelt und sich das erste Mal in seinem politischen Leben auf unsicheres Eis begeben. In Bayern war ja normalerweise alles jenseits der CSU ein Schleudersitz ins politische Abseits. Nur die FDP hatte für eine Legislaturperiode mitregieren dürfen, allerdings hatte sie diese Zeit genauso wie im Bund hauptsächlich mit politischer Selbstverstümmelung verbracht und stellte für ihn somit keine wirkliche Alternative dar.
Ein eigenes fränkisches Bundesland, das war schon ein anderes Kaliber. Intern hatte ihm Irrlinger bereits versichert, nur Parteivorsitzender bleiben zu wollen, der Ministerpräsidentenposten war also frei für ihn, wenn es denn so weit war. Ministerpräsident Manfred Zöder … Bei dem Gedanken wurde ihm die eine oder andere Körperstelle feucht – nicht nur die Augen.
Diese Versammlungssituation konnte seiner Karriere also sehr wohl förderlich sein. Aber darauf hätte er sich vorbereiten müssen, er hätte seine Worte ans Volk planen müssen. Tat man das nicht, konnte eine öffentliche Rede ganz schnell eine Fahrkarte in die politische Hölle bedeuten. Manfred Zöder atmete durch. Er musste handeln, und zwar schnell.
Er hob die große goldene Glocke, die vor ihm auf dem Tisch des Podiums stand, und begann diese laut und energisch zu läuten. Augenblicklich wurden alle laufenden Gespräche im Saal eingestellt, Rufe aus der Vorhalle erklangen, und Menschen eilten zu ihren Plätzen. Innerhalb weniger Minuten saßen alle auf den ihnen zugedachten Stühlen und hefteten ihre Augen erwartungsvoll auf den zweiten Vorsitzenden der Frankenpartei, auf Manfred Zöder. Der erklärte kurz, dass der Vorsitzende Irrlinger leider aufgehalten wurde, aber alsbald hier erscheinen würde. Aufgrund des vollgestopften Terminplans des heutigen Tages würde die Versammlung nun eben unter seiner Leitung beginnen, bis zum Beginn der Abendveranstaltung könnte man ja zumindest die einzelnen Anträge aus den fränkischen Bezirken und den angrenzenden Regionen, in denen über einen Beitritt zu einem Bundesland Franken abgestimmt werden sollte, diskutieren. Diskussionsbedarf wäre ja reichhaltig vorhanden, sagte er schmunzelnd, woraufhin aus dem Publikum vereinzelte Lacher zu hören waren.
Manfred Zöder nahm das als Einladung und beschloss, zuerst einmal etwas für die Stimmung im Saal zu tun, ein bisschen einzuheizen beziehungsweise einheizen zu lassen. Die Frankenpartei hatte ja nicht umsonst einen solchen Einheizer in ihren Reihen, einen Volkstribun, der bei seinen Vorträgen immer die gewünschte Stimmung erzielte. Nicht unbedingt mit der notwendigen political correctness , aber immer mit gepushter fränkischer Volksseele. Seine Zuhörer standen nach seinen Veranstaltungen tausendprozentig hinter ihm. Außerdem hatten alle Abgeordneten schon mindestens ein Seidla von dem Bier getrunken, das eine große Kulmbacher Brauerei sponserte, und waren entsprechend vorbereitet. Eigentlich bot sich der Öffentlichkeit hier ein durchaus witziges Bild, dachte Zöder. Ein Saal mit ansteigenden Reihen und Polsterstühlen, gedacht für klassische Konzerte, auf denen begeisterte Franken mit ihrem Bierkrug in der Hand saßen. Ganz ungewohnt, so ohne Tisch vor und Kastanienbaum über sich. Das Feld war also bestellt.
»Liebe Freunde«, sprach er nun ins Mikrofon, »begrüßt mit
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