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Drei Eichen (German Edition)

Drei Eichen (German Edition)

Titel: Drei Eichen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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nächsten Baum wickelte. Dann war nur noch Stille. Nach wenigen Augenblicken der Bewusstseinsfindung realisierte sie, dass etwas ihre linke Schulter getroffen hatte. Als sie sich an die Stelle griff, fühlte sie etwas Langes, Dünnes aus ihrem Körper hervorragen. Vor Schmerz und Panik schreiend versuchte sie aufzustehen. Es gelang ihr unter Aufbringung all ihrer Energie. Sie schaute in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war, und befühlte dabei den Pfeil, der in ihr steckte. In der Ferne konnte sie den Polizisten erkennen, der von der Straße in ihre Richtung gelaufen kam. Doch näher vor ihr, nur etwa fünfundzwanzig Meter entfernt, trat nun ein weiterer Mann in schwarzem Anzug und mit einem seltsamen Gerät in der Hand auf den Weg. Der zweite Pfeil traf sie mitten in die Brust. Von der Wucht des Aufschlages überrascht fiel sie nach hinten auf den Rücken. Sie merkte noch, wie die Spitze des Pfeils unter ihrem Gewicht abknickte und mit gedämpftem Knirschen zerbrach, dann lag sie auf dem Rücken und blickte aus dem Visier ihres Helmes direkt nach oben, an hohen Baumwipfeln vorbei in den blauen Frühlingshimmel. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, die Schläge dröhnten in ihren Ohren, und langsam wurde ihr kalt. Der Schmerz verschwand, aber als sie husten musste, lief ihr eine warme Flüssigkeit in einem dünnen roten Faden aus dem rechten Mundwinkel.
    Das Letzte, was sie wahrnahm, waren drei Männer, die um sie herumstanden und auf sie herabsahen. Nur einer von ihnen lächelte, sie erkannte ihn sofort. Als sie versuchte zurückzulächeln, ging der Mann in die Knie, nahm ihr den Helm ab und streichelte ihre rechte Wange. Dann hob er ihren Kopf an, der schwerer und schwerer wurde.
    »Und, wie fühlt sich das an?«, fragte er leise, während er sie mit seinen strahlenden graublauen Augen weiterhin anlächelte. Sie wollte antworten, aber da war zu viel Flüssigkeit in ihrer Lunge. Sie brachte nur ein leises Krächzen zustande, dann hörte ihr Herz auf zu schlagen.
    Lagerfeld versuchte verzweifelt dem davonstürmenden Ferkel zu folgen, indes, er hatte keine Chance. Was war denn plötzlich in das sonst so ausgeglichene Gemüt Riemenschneiders gefahren? Die Gute hatte wohl am falschen Frosch geleckt. Manchmal verhielt sich das Schwein wirklich wie ein verzogenes Rennpferd, dachte Lagerfeld wütend und hastete ihm weiter nach. Riemenschneider hatte jedoch keine Lust, ihm Antworten auf seine stillen Fragen zu liefern, sondern spurtete wie eine rosa Rakete den schmalen Wanderpfad hinauf. Lagerfelds vom Rauchen gestresste Lungen pfiffen seit geraumer Zeit sowieso schon aus dem letzten Loch, doch jetzt fand er sich an seine körperlichen Belastungsgrenzen gebracht. Gerade als er die Rennerei aufgeben wollte, hörte er von oben protestierendes Quieken und erschrockene Menschenflüche. Dann rollte rechts von ihm ein weiß gekleideter Mitarbeiter der Spurensicherung den Berg hinunter, der den Sturz ins Tal vergeblich mit seinen Händen aufzuhalten versuchte. Als Lagerfeld keuchend dem Weg nach oben folgte, traf er kurz darauf auf den anderen Spurensicherer. Er wälzte sich auf der linken Seite im Gebüsch, Riemenschneiders Leine hatte sich zwischen seinen Füßen verfangen. Er tat sich schwer damit, wieder auf selbige zu kommen, denn das Ferkel zog noch immer nach oben, sodass der arme Mann wieder und wieder das Gleichgewicht verlor und auf dem Hosenboden landete. Als Lagerfeld sich bückte und nach der Leine greifen wollte, hatte der Mann es endlich geschafft, diese von seinem Knöchel zu lösen, und Riemenschneider schoss erneut davon.
    »Riemenschneider, nicht!«, brüllte Lagerfeld dem widerborstigen Ferkel hinterher. Gerade als dieses das Hochplateau erreichte und, die Adelgundiskapelle praktisch schon vor seinen Schweinsäuglein, zum Sprung über die letzte Stufe ansetzen wollte, kam Lagerfeld doch noch über das Ferkel wie ein riesiger, rachsüchtiger Condor und begrub es ohne Gnade unter sich. Riemenschneider quiekte laut und protestierend, aber Lagerfeld hatte genug von ihren schweinischen Spinnereien und trug Riemenschneider, historische Verdienste hin oder her, unter den Augen der verdutzten Spurensicherer zurück zum Parkplatz, wo er sie energisch auf die Rückbank von Haderleins Landrover verfrachtete.
    »Ende der Vorstellung«, knurrte er, noch bevor er die hintere Beifahrertür vor ihrem Rüssel zuknallte. Der verärgerte, ja fast wütende Blick des Ferkels interessierte ihn einen feuchten Schwemmmist.

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