Drei Eichen (German Edition)
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»Natürlich sind Sie das, ich bin von der Polizei«, unterbrach Haderlein scharf, und unter seinem unduldsamen Blick wichen die beiden eingeschüchtert zurück.
»Und wie lange sollen wir graben?«, wollte der große Schweiger der beiden wissen, der außer Gelächter bisher noch keinen Ton abgesondert hatte.
»So lange, bis ihr etwas gefunden habt, ihr Komiker«, antwortete Haderlein.
Widerwillig nahmen sie ihm schließlich doch Schaufel und Spaten aus der Hand und begannen murrend mit der Arbeit.
Während die Bahnbediensteten ihre ersten Schaufel- und Spatenstiche verrichteten, zog Haderlein sein Handy heraus und hob es hoch. »Bitte lächeln!«, rief er fröhlich, dann machte er ein Foto von seinen zwei mürrisch dreinblickenden Hilfsarbeitern und steckte das Handy grinsend wieder weg.
Die Regenpfeifferin hatte sich in ihrer Not und unter dem massiven Gebärdruck doch wieder ins Tal begeben müssen. Da sie nicht an einem Fluss lagern wollte, aber ein paar Steine für einen Kiesbrüter doch vielleicht eine gute Idee waren, hatte sie sich nicht an einem Gewässer, dafür aber an einem sehr langen Kiesstrand niedergelassen. Das Strandareal war geradezu gradlinig, wie mit dem Lineal gezogen. Vielleicht ein Kiesbrüterbiotop, extra für sie von der EU errichtet? Hocherfreut und erleichtert ließ sie sich darauf nieder, baute ihr Nest zwischen die vielen Steine und legte genau drei Eier.
Es war kaum zu glauben, sie blieb tatsächlich tagelang ungestört. Bald schon befreite sich ein Regenpfeifferbaby nach dem anderen mit seinem kleinen süßen Schnabel aus dem kalkigen Gefängnis und schaute sie erwartungsvoll an. Ihr kamen fast die Tränen, der absolute Höhepunkt ihrer Flussregenpfeiffermutter-Karriere! Doch der absolute Tiefpunkt folgte sogleich auf dem Fuß. Ihre flauschigen Kindlein hatten gerade das Reden gelernt, als an dem langen Strand plötzlich Aufregung herrschte. Erst fuhr ein Auto vor, aus dem drei Männer ausstiegen. Na ja, eigentlich waren es nur zwei Männer, der eine ging selbst für sie nur als Männchen durch. Außerdem hatten sie noch ein kleines rosa Schwein mitgebracht. Zuerst dachte sie, die Männer wollten vielleicht Trüffel suchen, aber dann traf ein weiterer Wagen ein und mit ihm zwei weitere Männer. Es gab einen Disput, und dann geschah das, was eigentlich so hatte kommen müssen: Zwei der Männer kamen mit Werkzeugen in der Hand genau auf ihr Nest zu.
Unfassbar, was wollten die an ihrem Brutgelege? Rechts und links davon waren doch Hunderte von Metern Platz, was wollten die also genau hier? War man denn heutzutage nirgendwo mehr sicher? Aber es half alles nichts, sie hatte jetzt endlich Nachkommen in die Welt gesetzt, und alle zusammen mussten sie jetzt schleunigst von hier weg. Sie spreizte schon die Flügel, als sie aus dem Augenwinkel gerade noch rechtzeitig sah, wie ihre frisch geschlüpften Kindlein heftig mit den flaumigen Flügeln flatterten, ohne auch nur einen Millimeter vom Boden abzuheben. Mist, das mit dem Fliegen konnte sie vergessen. Während sie noch überlegte, kamen die beiden großen Männer mit den Schaufeln immer näher.
»Okay, wir müssen jetzt improvisieren. Wir müssen fort von hier, ihr könnt nicht fliegen, also wird gelaufen. Mir nach!«, rief sie und wollte schon los, als sich einer ihrer Söhne ihr in den Weg stellte.
»Das ist jetzt aber nicht dein Ernst, Mama, oder?«, protestierte ihr Ältester. »Mich gibt’s ja noch nicht so lang, aber so, wie ich das hier sehe, sind wir Vögel. Und Vögel laufen nicht, sondern fliegen. Laufen ist also gegen das Jugendschutzgesetz!«
Aber seine Mutter hatte keine Zeit für Diskussionen und klebte ihm, Jugendschutzgesetz hin oder her, eine mit dem rechten Flügel. Daraufhin setzte sich der kleine Trupp endlich sehr eilig und sehr widerspruchslos in Bewegung.
Riemenschneider saß einfach nur da und blickte mit leuchtenden Augen zu ihrem Franz hinüber. Sie war ja so was von stolz auf ihr Herrchen. Diesen Bahnaffen hatte er es so richtig gezeigt. Jetzt beugte sich das so gepriesene Herrchen auch noch zu ihr herunter. Bestimmt würde es sie loben, streicheln und ihr ob ihrer phänomenalen Leistung ein Stück Apfel geben, dachte sie sich voller Vorfreude.
»Wenn die zwei Idioten da nichts finden, weil du dich vertan hast, Riemenschneider, dann ist das die Blamage des Jahrhunderts. Dann gibt’s eine Woche Leinenpflicht bei Wasser und Brot, verstanden?«, flüsterte ihr Haderlein leise ins
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