Drei Eichen (German Edition)
Ohr.
Riemenschneider blieb stocksteif sitzen und hatte beide Ohren kerzengerade in die Höhe gereckt. Für Laien sah sie aus wie ein hoch konzentrierter Spürhund, nur Haderlein wusste, dass sein Ferkel ob seiner Worte sehr nervös geworden war.
Die Stimmung entspannte sich etwas, als Huppendorfer das Lunchpaket Honeypennys auspackte, welches aus den Honigbroten bestand, die er wegen Fiederlings Auftauchen nicht hatte essen können. Die Kommissare waren gerade dabei, in besagte Brote zu beißen, als sich einer der Bahnarbeiter meldete.
»Ich hab etwas gefunden, Herr Kommissar!«, rief er, dann scharrte er mit seinem Spaten, um etwas freizulegen. Aus dem Augenwinkel meinte er dabei, einen Vogel mit ein paar haselnussgroßen Küken im Gänsemarsch den Damm entlangeilen zu sehen, aber er konnte sich auch irren.
»Was ist es?« Haderlein wollte sichergehen, dass es sich nicht etwa nur um einen Ast handelte. »Was genau habt ihr gefunden? Hoffentlich keinen Bierkasten!«
Der Mann wich erschrocken zurück und schüttelte wortlos den Kopf. Huppendorfer und Haderlein kraxelten sofort den Damm hinauf und mussten, oben angekommen, zugeben, dass der Mann recht hatte. Das, was da vor ihnen lag, war kein alter Bierkasten und auch kein Ast, es war ein lederner Wanderschuh, aus dem der angeschimmelte Schienbeinknochen eines Menschen herausragte.
Haderlein zog sein Handy aus der Jacke und rief, nachdem er ein Foto von dem morbiden Fundstück gemacht hatte, in der Dienststelle an. »Honeypenny, wir brauchen hier die Spurensicherung, sofort. Und sag ihnen gleich, es ist mir scheißegal, dass wir heute Pfingstsamstag haben.« Dann warf er einen kurzen Blick auf Riemenschneider und fügte hinzu: »Und besorg eine Riesenschüssel Äpfel für unser Superferkel.« Als er sein Mobiltelefon wieder zugeklappt hatte, überlegte er einen kurzen Moment. Er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass sie hier etwas kriminalistisch Relevantes finden würden. Aber mit diesem Schuh und dessen unerwartetem Inhalt gab es keine Zweifel mehr. Männchen Fiederling schien die Wahrheit gesagt zu haben. Das hieß aber auch, dass sie jetzt Herrn Bauunternehmer Fiesder am Haken hatten, und wenn es nur um die Vertuschung einer Straftat ging. Eigentlich schien es ja purer Zufall gewesen zu sein, dass Fiesders Mitarbeiter die menschlichen Überreste beim Windradbau gefunden hatten. Bei dem Gedanken zuckte er wie vom Blitz getroffen zusammen. Eine böse Vorahnung hatte sich in seine Überlegungen eingeschlichen.
Je länger er darüber nachdachte, desto stärker wurde die Vorahnung. Da half alles nichts: Er musste die Zweifel beseitigen, sonst würde seine Kommissarenseele keine Ruhe geben. Noch einmal ging er die Sachlage gedanklich durch, dann wandte er sich an Huppendorfer.
»Cesar – Planänderung! Du wirst ab sofort die Sache hier managen, der Staffelberg-Fall geht dich nichts mehr an. Allerdings muss ich jetzt mit Fiederling und Riemenschneider noch einmal verschwinden, um etwas zu klären«, sagte er mit seinem bekannten dunklen Glanz in den Augen.
Cesar Huppendorfer wusste, dass es in solchen Situationen am besten war, nicht nachzufragen, was genau sein Chef vorhatte. Außerdem war er froh, einen eigenen Fall zu haben und sich nicht mit dem Politikergesocks vom Staffelberg rumschlagen zu müssen. »Alles klar, Chef, wird gemacht.«
Haderlein nickte ihm noch einmal zu, dann stieg er das Gleisbett wieder hinunter und klopfte Fiederling anerkennend auf die Schulter. »Gut gemacht, Herr Fiederling«, lobte Haderlein ihn ausdrücklich. »Allerdings möchte ich Sie noch einmal entführen. Wir haben noch eine Kleinigkeit zu klären, und dazu brauche ich Sie unbedingt.«
Fiederling nickte bereitwillig. Aus seiner Körperhaltung sprach Erleichterung. Endlich war ihm die schwere Last von der Seele genommen worden. Gott sei Dank, man hatte Überreste gefunden, die seine Worte stützten, sonst wäre er womöglich noch als verrückter Spinner in der Tagespresse geendet. Mit einem sehr viel besseren Gefühl als noch vor wenigen Stunden stieg er zu Haderlein in dessen Wagen und harrte der Dinge, die an diesem Samstagabend noch folgen sollten.
Sie hatte sich natürlich nicht an die Anweisungen ihres Vaters gehalten und war außerhalb des Steinbruchs herumgelaufen. Hier war es erstens schöner, weil voller Blumen, und zweitens spannender, weil verboten. Falls Papa das rausbekam, würde er nur kurz schimpfen und es danach wieder vergessen – wie immer. Vor
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