Drei Eichen (German Edition)
hätte?«, fragte Joe unvermittelt. »Was, wenn ich nicht den Mut aufgebracht hätte? Wenn ich einfach nur gezahlt, aber nicht getötet hätte, was wäre dann passiert?«
»Dann wärst du jetzt tot. Nur wer tötet, steht mit uns auf der gleichen Stufe. Wir sind hier im Staat Tennessee, auf Mord steht die Todesstrafe. Hinrichtung durch Giftspritze, kein schöner Tod. Nur wem die Todesstrafe droht, wird niemandem von diesem Camp erzählen, in dem man für viel Geld das Töten lernen kann. Ansonsten wäre uns die Gefahr zu groß.« Er stockte einen kurzen Moment. »Der Mann, den du heute getötet hast, er war nicht stark genug. Er konnte nicht töten, selbst dann nicht, als ich ihm die Konsequenzen verdeutlicht habe. Übrigens stammte er auch aus der Finanzbranche.«
Joe schluckte. Er hatte Angst vor dem Mann, der vor ihm saß. Das Gefühl war ungewohnt und in gleichem Maß erregend. Seit seiner Jugend hatte er keine Furcht mehr verspürt, er hatte schon sehr früh Menschen beherrscht und Macht ausgeübt. »Muss ich weitermachen?«, stellte er nach einigen Minuten Stille die Frage, die ihm auf der Seele brannte.
»Nein, du hast ein Mal getötet, und du hast bezahlt. Du kannst gehen.« Magnus hielt inne. »Willst du überhaupt gehen?«, fragte er dann.
Joe schüttelte den Kopf. »Nein. Ich werde weitermachen. Ich habe es so gewollt, ich habe dafür bezahlt, also werde ich den Weg auch zu Ende gehen.«
Magnus nickte. »Gut. Morgen werden wir dann den Schwierigkeitsgrad erhöhen«, sagte er, als würde er ihn für den nächsten Segelflugtag briefen. »Die Ziele werden nicht mehr unter Drogeneinfluss an Bäume gebunden herumstehen. Morgen werden wir freies, sich bewegendes Wild aufspüren und jagen.« Joe sah ihn verständnislos an. »Let’s reach the next level.« Magnus lächelte kalt und griff sich seine Pfeife mit teurer Bruyère-Spitze.
Lagerfeld fühlte sich seit Langem mal wieder richtig frisch. Nach der erfolgreichen Rettung des Planeten Bionadus – oder so ähnlich – hatte er sich mit Ute ins Bett begeben und ausgeschlafen. Am Morgen hatten beide vor ihrer Mühle in der Frühlingssonne gefrühstückt, sodass ihn das Gefühl des elterlichen Glücks bis auf den Parkplatz der Bamberger Dienststelle getragen hatte. Heute würde er sich voller Elan dem Mordfall auf dem Staffelberg widmen, nachdem er mit Franz in aller Ruhe das weitere Vorgehen besprochen hatte.
Als Lagerfeld die Tür zum Büro öffnete, wäre er fast mit Cesar Huppendorfer zusammengestoßen, der durch die gleiche Tür hinauswollte. Franz Haderlein stand hinter ihm, wollte Cesar offenbar begleiten.
»Ah, unser Langschläfer! Na, wunderbar, dann können wir ja endlich unsere Arbeitskreise bilden«, begrüßte Haderlein ihn erfreut.
»Cesar, du nimmst Bernd an meiner statt mit nach Erlangen. Und ihr ruft mich bitte sofort an, wenn es Neuigkeiten von den fünf Leichen gibt. Alles Weitere kannst du Bernd ja unterwegs erzählen.« Zufrieden blickte er zwischen seinen Kommissaren hin und her.
Lagerfeld überlegte. Fünf Leichen? Wieso denn fünf? Gestern Abend war es doch nur eine gewesen. Aber Huppendorfer hatte seinen Kollegen schon am Ärmel gepackt und zog ihn mit hinaus.
»Ich erklär dir gleich alles, Bernd. Ist a weng kompliziert, wenn ich ehrlich bin. Der Franz muss jetzt jedenfalls dringend den Fiesder verhören, sonst müssen wir ihn womöglich wieder laufen lassen.«
Lagerfelds leichte Verwirrung wuchs sich zum Unverständnis aus. »Fiesder? Der Hubschrauber-Fiesder? Was hat der denn jetzt damit zu tun? Hat der den Bräutigam etwa mit Pfeil und Bogen erlegt?«
Huppendorfer atmete tief durch. Er würde wohl ganz weit ausholen müssen, damit Lagerfeld auch wirklich alles verstand.
»Also, Bernd«, begann er, »angefangen hat das mit dem Kapo von dem Fiesder, einem gewissen Hubert Fiederling …«
Nachdem Huppendorfer und Lagerfeld das Büro verlassen hatten, begab sich Haderlein erst einmal wieder auf seinen Sessel und dachte nach. Die Vespa ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Auch heute Morgen hatte er die ganze Zeit an das verrostete zweirädrige Gefährt denken müssen. Es gab da in seiner Erinnerung irgendeinen Haken, an dem sich das Bild des ausgegrabenen Rollers immer wieder aufhing. Aber es half ja nichts, sich mit den verschwommenen Archetypen seiner Vergangenheit zu beschäftigen, er musste sich dem Jetzt stellen und erst einmal Herrn Bauunternehmer Fiesder befragen. Das würde schon anstrengend genug werden. Fidibus
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