Drei Engel für Armand
Spitzen des Seegrases stießen durch das Eis und bogen sich zitternd in Schnees Richtung, konnten das Eis aber nicht zerbrechen und sie packen.
Talia hielt sich mit einer Hand am Rand der Eisfläche fest und winkte Danielle fort. Mitternacht spritzte durchs Wasser und schwamm von der Höhle weg.
»Geh zu Arlorran zurück!«, schrie Talia. »Er soll Kontakt zu Königin Bea aufnehmen!«
Danielle war bereits dabei, Wind in Schnees und Talias Richtung zu lenken. Angesichts der enormen Schwingen des Aviars gab es auf seinem Rücken kaum genug Platz für eine Reiterin, geschweige denn für drei. Aber wenn Danielle ihre Freundinnen erreichen konnte, dann konnten sie sich vielleicht an ihre Beine klammern, und sie könnte sie durchs Wasser ziehen und in Sicherheit bringen.
Weitere Schlingpflanzen schnellten hervor. Sie schienen länger zu werden. Danielle durchtrennte eine. Eine andere wand sich um Schnees Unterarm und begann augenblicklich zu erfrieren.
»Diese Pflanzen sind mit Trollhaar umwickelt worden«, stellte Schnee fest und klang irritiert. Weiße Atemwolken begleiteten ihre Worte. Sie drehte den Arm herum, und eine neue Frostschicht überzog die Schlingpflanze von unten nach oben. »Ein weiteres Kaufobjekt aus Brahkops ehemaligem Geschäft. Das macht sie so stark.«
»Talia! Fang!« Danielle warf ihr Schwert.
Talia ließ ihre eigene Waffe aufs Eis fallen und schnappte sich Danielles Schwert an der Parierstange aus der Luft. Sie tauchte unter und schnellte dann hoch aus dem Wasser: Ein einziger Schlag befreite Schnees Arm. Ein weiterer zerschnitt zwei andere Schlingpflanzen, die sich auf Talia zuschoben.
Nebel hatte um Schnee herum aufzusteigen begonnen. Danielle konnte sehen, wie sie mit den Zähnen klapperte, aber Schnee rührte sich nicht. Das Sprühwasser von den Wellen wurde zu Schneeflocken. Talia packte eine der erfrorenen Schlingpflanzen und zog sich aufs Eis hoch.
»Schaff Schnee hier raus!«, sagte sie.
»Was ist mit dir?«, fragte Danielle.
»Dein Reittier ist erschöpft, Prinzessin. Du kannst uns nicht alle drei nehmen. Schnee ist mager wie ein Kind, und du bist auch nicht viel schwerer.«
»Hey!«, protestierte Schnee. »Ich bin ganz und gar nicht kindlich!« Sie blickte an ihren Kleidern herab: Durchnässt bis auf die Haut, machten sie ihren Standpunkt mehr als deutlich.
Danielle schüttelte den Kopf. »Ich werde dich nicht allein hier zurücklassen!«
»Verdammt, Prinzessin, ich kann auf mich selbst aufpassen!«, sagte Talia. Sie warf Danielle das Schwert wieder zu, der es mit knapper Not gelang, es an der Klinge aufzufangen; dass sie sich dabei nicht selbst die Hand abschnitt, war ein Wunder.
Talia hob ihre eigene Waffe wieder auf. »Ich werde hinter den anderen Aviaren herschwimmen, und du kannst mich holen kommen, sobald Schnee in Sicherheit ist.«
Schnees Blicke waren unterdessen unablässig von einer zur andern gewandert. Mittlerweile waren die meisten Schlingpflanzen abgeschnitten oder erfroren. »Könntet ihr zwei euch ein bisschen schneller streiten?«, fragte sie. »Dieses Wasser ist eiskalt, und die Wachen der Herzogin müssten auch jeden Moment aufkreuzen!«
»O nein, die Herzogin zieht es vor, sich nicht in unsere kleine Familienstreitigkeit einzumischen.« Der Hohn in Stacias Stimme war derselbe, den Danielle all jene Jahre von ihrer Stiefmutter gehört hatte. Die Kletterpflanzen hatten sich geteilt und gaben den Blick auf Stacia, Charlotte und ihren Dunkelingbegleiter frei. »Du bist schneller aufgetaucht, als ich erwartet hatte, Aschenputtel!«
Talia hatte ihr Messer schon gezogen. Sie warf, aber der Dunkeling war schneller und sprang in die Luft, um Stacia zu beschützen. Das Messer prallte von seiner Schulter ab und verschwand mit einem Spritzen. Der Dunkeling krabbelte auf allen vieren auf den feuchten, frostigen Stein und versuchte, zu seiner Herrin zurückzuklettern.
Stacia fing an zu lachen. »Habt ihr immer noch nicht gemerkt, dass ihr ihn nicht –«
Bevor der Dunkeling sich erholt hatte, warf Schnee eine ihrer silbernen Schneeflocken. Stacia schrie auf, als die Spitzen sich in ihren Oberschenkel bohrten.
»Tut weh, was?«, meinte Charlotte. Ein blutiger Verband bedeckte ihren Unterarm, ein Andenken von ihrem Kampf in Arlorrans Zuhause.
»Du zielst immer zu tief, Schnee!«, kommentierte Talia.
Mit einem grimmigen Lächeln berührte Schnee ihr Halsband und begann einen Zauberspruch zu murmeln. Ein Strahl weißen Lichts schoss aus dem Höhleninneren herab
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