Drei Engel für Armand
»Natürlich sind ihre Zählungen ein bisschen sonderbar. Intelligente Tiere werden mitgezählt – das ist die Tierkaste, zu der beispielsweise unser Freund der Fuchs gehört – nicht aber die dummen. Die namenlose Kaste taucht bei keiner Erhebung auf, allerdings sind deren Angehörige auch nur eine Hand voll. Manche der Blutlosen, wie jener leuchtende Ball, zählen nur als Bruchteil. Aber trotzdem kommen ziemlich genaue Zahlen heraus.«
»Dreißigtausend!«, wiederholte Danielle. Und dennoch waren so weite Teile Elfstadts Wildnis. »Wo leben die alle?«
»Vergiss nicht, Elfen können sich in sämtlichen Richtungen im Land ausbreiten«, antwortete Schnee. »Trolle und Pucks graben sich in die Erde ein, wohingegen Greifen und Eiben luftigere Gefilde wie Baumwipfel und Felswände bevorzugen. Und frag mich nicht, wie sie die Wolkenläufer und ihre Reiter zählen, die nur ein Mal jedes Jahr den Boden berühren können!«
»Sind in diesen Zahlen Sterbliche mit inbegriffen?«, fragte Talia. »Solche, die zufällig nach Elf Stadt geraten und es nie wieder hinaus schaffen?«
Schnee nickte. »Die meisten von ihnen enden als Sklaven. Sie werden im Anhang B der Erhebung berücksichtigt.«
»Du brauchst dringend ein paar andere Hobbys«, meinte Talia. Sie lehnte sich gegen die Äste, kramte in ihrer Tasche herum und förderte ein in Papier eingeschlagenes Bündel zutage. Sie wickelte es auf und reichte Danielle einen dicken Streifen Dörrfisch, der anscheinend mit Seetang umhüllt war. »Vertrau mir, das ist besser, als Elfennahrung zu sich zu nehmen!«
Danielle nickte, dankbar für die Ruhepause. Sie hatte nichts sagen wollen, aber sie tat sich schwer damit, mit den beiden Schritt zu halten. »Stimmt es eigentlich, dass man, wenn man das Essen der Elfen isst, nie mehr von ihnen wegkann?«
»Nicht hier«, antwortete Schnee. »Wir sind immer noch in unserer Welt, egal wie sehr sie durch Elfenmagie verändert sein mag. Solltest du jedoch jemals den Elfenhügel durchqueren, wäre ich an deiner Stelle vorsichtig.«
»Und warum –«, setzte sie zu einer weiteren Frage an.
»Weil Elfenküche nach Schlamm schmeckt«, antwortete Talia.
Danielle probierte einen Bissen und hing einen Moment später überm Geländer, spuckte aus und gab sich alle Mühe, nicht zu erbrechen. Der Seetang hatte einen scharfen, salzigen Beigeschmack, und der Fisch selbst schmeckte nach Nussbaumrauch und irgendeiner Art Pfeffer. Ihr Magen zog sich noch einmal krampfhaft zusammen, bevor er sich allmählich wieder zu beruhigen begann.
»Vielleicht wäre sie ja mit dem Schlamm besser beraten gewesen«, meinte Schnee.
Talia drückte Danielle einen Weinschlauch in die Hand. »Tut mir leid, Prinzessin. Ich hätte wissen müssen, dass Nadif zu viel für dich ist.«
»Ist es nicht. Der Geschmack ist eigentlich ganz gut, aber der Fisch und das Gewürz, mir ist es einfach –« Die bloße Erinnerung genügte, um sie wieder ans Geländer zu treiben. Einige große Schlucke Wein später wischte sich Danielle die Augen und fragte: »Was ist das?«
»Das Gewürz wird Nadif genannt«, erklärte Talia. »Es ist ein Rezept aus meiner Heimat. Die Königin liebt es, aber der Geschmack ist gewöhnungsbedürftig.« Sie biss ein gewaltiges Stück von ihrem eigenen Fisch ab und grinste. »Das Essen in Lorindar ist so fad!«
»Dafür brennt es einem keine Löcher in die Lippen«, meinte Schnee und schnappte Danielle den Weinschlauch weg.
Talia nahm einen Streifen geräuchertes Lamm und reichte ihn Danielle. »Hier, das ist milder.«
Danielle aß im Gehen. ›Mild‹ war immer noch so kräftig, dass es ihr die Nebenhöhlen durchpustete. Wenigstens hatte sie nicht mehr das Gefühl, ihr Kopf stünde in Flammen.
»Seht euch das an!«, forderte Schnee sie auf.
Weiter vorn lehnte ein umgefallener Baum an der Straße. Die Zweige waren abgebrochen oder weggeschnitten worden, sodass nur noch ein großer Stamm übrig war. Der Baum war ein Riese unter Riesen. Nach jeder Logik hätte er die Straße geradewegs durchbrechen müssen, als er umstürzte, doch während diese sich zwar zur Seite neigte, wo der Baum sie getroffen hatte, schien sie keinen weiteren Schaden davongetragen zu haben, sondern hing bloß ein wenig durch.
»Sieht das für euch nicht wie eine beschwipste Eiche aus?«, fragte Schnee. Sie wartete keine Antwort ab, sondern rannte kichernd auf den gewaltigen Baum zu. Sternenlicht glitzerte in ihren Spiegeln.
»Sie benimmt sich, als ob wir auf einem
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