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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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verständlich machen? Da blieb doch nur »Das musst du dir unbedingt anschauen«. Das würde Marco nicht tun, weil es diesen Zweiteiler aus dem Jahre 1975 nirgendwo zum Downloaden gab. Vielleicht sollte er sich lieber einen Film über die 80er anschauen, um zu verstehen, wie wir mit zwanzig gelebt hatten, damals, in Wohnungen mit Kohleofen, wo Duschen zum absoluten Luxus zählten. Ich hatte mir mit Nele einmal ein Zimmer geteilt, in einer Wohnung ohne Bad. Wir duschten damals auf einem mit Teerpappe ausgelegten Balkon mittels einer Gießkanne, deren Wasser wir uns in einem Fünf-Liter-Boiler nach und nach erhitzten.
    »Was ist?«, drängelte Renate, weil Marco geschäftig mit den Kassetten klapperte, aber die von mir gewünschte Musik nicht fand. »Sind die nicht dabei?«
    »Ich find’s nicht.« Marco klapperte weiter. »Wie heißt die Gruppe noch mal? Cosy – wie?«
    Plötzlich war es ganz still im Auto. Nur der Motor klapperte leise vor sich hin.
    »Cosy?«, fragte Renate schließlich, und ihre Stimme zitterte leicht.
    »Cosy?«, wiederholte Nele verzweifelt. »Cosy?«
    Ich hielt den Atem an.
    »Ja, wieso, Cosy?«, antwortete Marco irritiert. »Ihr habt doch was von Cosy gesagt.«
    Man altert nicht durch Zigaretten, freie Radikale oder Wein. Man wird alt in dem Moment, in dem aus Crosby, Stills, Nash & Young »Cosy« wird.
    »Kennst du nicht The cost of freedom ?« Renate stimmte ein paar Takte an. »Woodstock, sagt dir das was? Bob Dylan, Joan Baez?«
    Ich erinnerte mich sofort an all die Lieder, die wir in lauen Lagerfeuernächten gesungen hatten. Meine Güte, war das romantisch gewesen! Melancholische Songs, die einem das Herz leicht und schwer zugleich machten. In Marcos Hirn spielten sich offensichtlich keine Erinnerungsfilme ab.
    »Joan Baez sagt mir was. War die nicht mit einem von den Beatles verheiratet? Meine Mutter hat da ’ne CD , glaub ich.«
    »Nein, du verwechselst sie mit Anneliese Rothenberger«, mischte ich mich ein. »Die hat sich kurz darauf an Roberto Blanco rangeschmissen.«
    »Aha«, antwortete Marco beiläufig und vertiefte sich wieder in die Kassetten. »Und wer soll das sein?«, brummte er. »Klaus Hoffmann?«
    Es war ganz offensichtlich, dass er sich für sein Unwissen nicht mal schämte.
    Irgendwann hatte ich genug von Marcos Sucherei. Ich ließ mir die Schachtel geben und hatte mit einem Griff die richtige Kassette. Ich gebe zu, sie war mit » CSNY « beschriftet, wir konnten Marco also eigentlich nichts vorwerfen.
    »Pink Floyd, na, die kennst du doch aber?«, fragte ich Marco.
    » Teacher, leave us kids alone «, trällerte er sofort los.
    »Genau. Und Crosby, Stills, Nash & Young kommen nun noch dazu.« Ich boxte ihn kameradschaftlich von hinten. »Genieß unsere Nachhilfestunden. Das Wissen kann dir bei anderen älteren Damen später nützlich sein.«
    »Häh?« Marco wollte den Witz wohl nicht verstehen, und Renate hörte weg. Sie zündete sich eine Zigarette an und blickte konzentriert auf die Straße.
    Nele tauchte jetzt in das Buch ein, das ich am Abend zuvor schnell zur Seite gelegt hatte, Der Tod des Märchenprinzen .Ich würde das Buch nicht zu Ende lesen, auch wenn es der feministische Bücherhit gewesen war. In dem autobiographischen Roman der jungen Svende Merian ging es sehr viel um mühsamen Sex. Mal wollte er und sie aber nicht, und dann gab es ein Diaphragma oder das Pro und Kontra zum Kondom, aber es musste sowieso erst einmal diskutiert werden, und das war ihm meist zu viel und ihr zu oft zu wenig, und dann wurde bloß Tee getrunken, und jeder ging in seine eigene WG , und niemand ging mit niemandem ins Bett. Seite für Seite, sehr frauenbewegt. Kein Wunder, dass unsere ersten Beziehungskisten so anstrengend gewesen waren. Bei dieser Vorlage!
    »Und?«, tippte ich auf das Buch, »diskutieren sie noch?«
    »Wieder«, stöhnte Nele.
    Plötzlich rumpelte es, und weißer Qualm vernebelte uns die Sicht. Fuchur wurde langsamer, hoppelte ein Stück am Straßenrand entlang und blieb schließlich stehen.
    »Jetzt isser tot«, stellte ich fest.
    »Was ist denn?«, fragte Marco verunsichert.
    Ich hab’s geahnt, ich hab’s geahnt, dachte ich, hielt aber an mich, um den Satz nicht laut zu sagen.
    »Scheiße!«, fluchte Renate und blickte hilflos auf das Armaturenbrett. Aber da blinkte nichts, weil die Autos von früher nämlich noch kein Cockpit hatten, sondern nur zwei, drei lose Knöpfe und ein einziges wichtiges Licht, und das war rot. Wenn das brannte, war eh schon alles

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