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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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Neonröhre tauchte den Raum in ihr kränkliches Licht, und unheilvolle dunkle Wolken zogen an den Fensterscheiben vorbei. Aus einem alten Transistorradio, das gut in unser Zelt gepasst hätte, dudelte Volksmusik. Der Herr des Platzes starrte konzentriert auf seinen Computerbildschirm. Er trug ein graues Filzkäppi mit Anstecknadeln, wie sie in Souvenirläden erhältlich sind. Sicher waren eine Gondel und ein Edelweiß dabei. Ein kleines Alphorn stand auf seinem Schreibtisch und diente ihm als Stifthalter.
    »Was ist?«, brummte er.
    »Es ist so«, begann ich überrascht, dass er mich überhaupt bemerkt hatte, »wir haben hier ein gutes Werk vollbracht, und ich bin mir nicht sicher, ob Sie das zu schätzen wissen.«
    Und ohne Punkt und Komma zählte ich ihm auf, was wir bislang erlebt hatten. Ich fing mit dem Weihnachtsfest und meinem Tagebuch an, berichtete von der Geburtstagfeier, von der Reiseroute und von Marco mit dem Blumenkranz, wie Fuchur abends auf der Wiese lag, von dem Schäfer und dem Rotkreuzladen, von Sonja und dem Sigma-Telefon, von Fips, der Grenze, dem Regen und der Niveadose. Atemlos fragte ich dann, ob sich seine Greta wohl endlich gemeldet habe. Um gleich meine Idee ins Spiel zu bringen, und das war das Campieren zu einem vernünftigen Preis – am besten gratis. »Denn«, holte ich noch mal Luft, »schließlich wissen wir ja nicht, wann die Dame endlich kommt.«
    Ein kurzer Moment der Stille entstand, nur untermalt von Radiomusik und meinem schweren Atem. Kurz bildete ich mir ein, das Schweigen des Platzwartes würde Zustimmung bedeuten. Das war mir in der Vergangenheit schon öfter passiert, wenn ich mich erklären wollte. Dann stand ich da, redete und machte, und ab einem gewissen Punkt kam ich zu dem Schluss, prima, der Groschen ist gefallen, jetzt ist wohl alles klar, als Reaktion wurde aber nur ein »Spinnst du eigentlich?«rausgeprustet. Wie gewesen, so auch jetzt.
    »Sie spinnen wohl – umsonst?«, schleuderte mir der Platzwart sein Unverständnis entgegen. Kleine Speicheltropfen flogen mir um die Ohren, und die Putzfrau sagte nichts. Seine Augen wanderten an mir herauf, herab und blieben angewidert auf dem gestickten Yin-und-Yang-Zeichen auf meinem Shirt hängen. Er baute sich förmlich vor mir auf.
    »Aber wir sind doch gezwungen zu warten, wegen dem Hund, der Gritli gehört, oder Greta, oder wie auch immer sie heißt.«
    »Wegen des Hundes, heißt das!«, erklärte er mir in plötzlichem Hochdeutsch. Und jetzt fiel mir ein, an wen er mich die ganze Zeit erinnerte. An Emil Steinberger, nur etwas dicker war er, aber er hörte sich genauso an. Grautier – das hat vier Buchstaben und fängt mit einem E an, dann fehlt einer, und dann geht’s mit EL weiter , ich grinste vor mich hin. Urs, wie auf dem Namenskärtchen auf dem Tresen stand, wackelte vor mir hin und her. Endlich konnte ich das Anstecknadel-Alpenglühen auf seinem Käppi deutlicher erkennen. Wie geahnt, vor allem Gondeln, Gämsen und Edelweiß.
    »Was heißt hier gezwungen? Ich zwing hier niemanden. Wir sind doch kein Obdachlosenasyl!«
    Das hatte Renate schon befürchtet, denn wenn es um ihre Stutz geht, dann haben die Schweizer nicht viel Mitgefühl.
    »Und die Greta, die ist krank, die hat angerufen. Entweder ihr zahlt, oder ihr könnt mit eurer Kommune weiterziehen. Ich habe Ihnen einen guten Platz gegeben, zu einem guten Preis, aber den kann ich nicht auf ewig halten. Wenn Sie länger als morgen bleiben, dann berechne ich den regulären Preis, und das Auto zählt dann auch noch mal ganz anders mit.«
    »Bis übermorgen«, warf ich nun doch etwas eingeschüchtert ein, weil die Verhandlungen eine Wendung nahmen, die mir gar nicht gut gefiel. »Gestern haben Sie von überübermorgen gesprochen, was ja von heute aus gesehen übermorgen ist und nicht morgen, wie Sie gerade eben sagten. Unsere Abmachung bezog sich …«
    »Jetzt hört es aber auf«, fiel er mir laut ins Wort. »Schauen Sie mal raus«, er zeigte wütend auf den Platz. »Das ist ein Scheißwetter, und ich bin um jeden Franken froh. Entweder ihr zahlt, oder ihr haut ab. Da!«, er trommelte außer sich auf die Glasplatte des Tresens, unter der sich eine Landkarte der Region Vierwaldstättersee befand. »Da sind überall noch andere Campingplätze, und eine Gritli gibt’s da sicher auch. Leck mich am Ärmel!«, schimpfte er und ging zurück zu seinem Stuhl. »Will die Alte mit mir feilschen, ja, ich glaub’s ja nicht.« Die Verhandlungen waren für ihn beendet, und

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