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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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mit fester Stimme. »Es ist schwierig, aber auch schön und lustig und ganz anders, als ich dachte. Aber es ist privat, nur für uns drei. Ich möchte nicht, dass wir mit unserer Reise in der Zeitung landen. Aber danke für Ihr Angebot.«
    Margret gab mir ihre Visitenkarte, weil sie merkte, dass sie mich nicht für sich gewinnen konnte, und steckte enttäuscht das kleine Aufnahmegerät wieder in die Tasche, das sie schon herausgeholt hatte. Als sie sich verabschiedete und mich mit einem Winken stehenließ, da wusste ich, dass sie mich in Erinnerung behalten würde, als wäre ich aus einem Film gesprungen. Das Gespräch mit Margret hatte mir aber bewusst gemacht, wie kostbar die Zeit war, die Renate, Nele und ich gerade erlebten. Dennoch traute ich mich nicht, zu ihnen zurückzufahren. Ich eilte zu Fuchurs Parkplatz, setzte mich ins Auto, nahm wahllos eine Kassette und schob sie in den Rekorder. Wolfgang Niedecken sang, und sein Jraadus trieb mir die Tränen in die Augen. Verdammt, dieser Urlaub hatte mich sehr dünnhäutig gemacht.
    Müde und frustriert saß ich auf dem Fahrersitz und starrte mit stumpfem Blick durch die Windschutzscheibe. Schon wieder prasselte der Regen nieder. Wenn ich jetzt zum Campingplatz zurückkomme, was werde ich dann sagen?, fragte ich mich. Würden meine Freundinnen mich verstehen? Sicher würden sie das, unsere Freundschaft hatte schon kritischere Zerwürfnisse überstanden. Zum Beispiel, wenn Renate einen neuen Mann an ihrer Seite hatte, dann kriselte es meistens zwischen uns. Ich kam mit ihren Männern nicht klar und die nicht mit mir. »Passt dir überhaupt ein Mann an meiner Seite?«, hatte sie mich einmal wütend gefragt. Natürlich passte mir ein Mann an ihrer Seite. Aber er sollte besonders sein, weil auch Renate besonders war.
    Und Nele war so zuverlässig, so gutmütig, und niemand konnte mir besser dabei helfen, meine Gedanken zu ordnen. Ich liebte sie dafür. Schon traten mir wieder die Tränen in die Augen. Aber ich schaffte es noch nicht, einfach den Zündschlüssel umzudrehen und zu den beiden zurückzufahren. Verzweifelt glotzte ich auf die Hauswand gegenüber, als würde ich dort die Antwort finden. Ich stand noch immer zu dem, was ich ihnen vorhin an den Kopf geworfen hatte. Aber ich hätte die Sätze anders sagen können, das war mir klar. Mit einem Handy wäre jetzt alles leichter gewesen. Ich hätte eine SMS geschickt oder vielleicht kurz angerufen. Aber so, im Leben der 80er Jahre, war keine schnelle Lösung möglich.
    Ich stellte den Kassettenrekorder wieder an, obwohl ich Renates strenge Mahnung hörte, dass das die Batterie leer fraß. Wie in einer Achterbahnschleife kamen mir all die dramatischen Situationen in den Sinn, die wir so gut gemeistert hatten. Zank und Streit in den Beziehungen, kranke Mütter und sterbende Väter, als Renate das Bein in Gips hatte und Nele nach einem Umzug gleich wieder Koffer packen musste. Alles hatten wir gemeinsam hingekriegt. Und jetzt sollte uns ein gemeinsamer Urlaub an den Rand bringen? Ich liebte Nele, und ich liebte Renate, weil … schon traten mir wieder Tränen in die Augen, aber obwohl ich sonst sehr spontan bin, schaffte ich es diesmal nicht, einfach den Schlüssel des Wagens umzudrehen und zu den beiden zurückzufahren. Ich fühlte mich so allein, wie sich ein störrisches Kind fühlt, das gerne wieder nach Hause möchte, aber weiß, dass genau das jetzt nicht geht, weil die Rückkehr dann eine Niederlage ist.
    Wie ein Hase in seinem Bau hockte ich im Wagen, hörte den Regen, der nicht aufhören wollte, dachte an Nele, Renate, Fips und das sicherlich durchnässte Zelt, fragte mich, was sie wohl essen würden und ob es klug war, von meinem Geld einen Kuchen mitzubringen, und als ich den Zündschlüssel umdrehte, weil man das bescheuerte Gefühl von Streit am besten durch eine Versöhnung wieder verliert, da schreckte ich zurück, weil sich plötzlich in voller Breite ein Schild auf die nasse Windschutzscheibe legte: »Free hugs!« Und kaum war es da, war es auch schon wieder weg, und dahinter kam ein lachender Wuschelkopf hervor.
    Die Haare des Jungen waren regennass, und eine Strähne klebte an seiner Stirn. Kleine Tropfen rannen über seine Wangen, seine Augen leuchteten blau. Anstatt das Seitenfenster zu öffnen, stierte ich nur stumm nach draußen und versuchte zu begreifen.
    »Hey! Free hugs ! Darf ich dich umarmen?«, fragte der Junge mich durch die Scheibe und hielt das Schild erneut hoch. »Das kostet auch

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