Drei Frauen im R4
Abwesenheit hatte sie mit Nele einen Spaziergang an den See gemacht und die Bucht samt Kahn entdeckt.
Das alte Holz des Bootes knirschte und knackte gefährlich. Hier einzusteigen war glatter Selbstmord, aber ich hatte keine große Wahl, es sei denn, ich war darauf aus, dass Renate richtig wütend wurde.
Mit dieser Strenge hatte ich nicht gerechnet, da ich ja Maiki mit dem Schild im Schlepptau hatte. Ich hätte wetten können, dass sich Renate vor Lachen biegen würde, sobald Maiki hinter seinem Schild auftauchte und mit dem ersten Witz startete. Der Rest, so hatte ich kalkuliert, würde sich dann schon von selbst ergeben, spätestens wenn er von den Sonnenuntergangsumarmungen erzählte. Im Falle einer Auseinandersetzung hätte er auch vermitteln können, das war freilich nun nicht möglich, da die Dampferfahrt über den See nur für uns drei ausgerichtet war. Maiki wurde außerdem dazu verdonnert, auf Fips aufzupassen und mit den Drops, die er zwecks Zähmung bekommen hatte, hauszuhalten.
Ich hörte Fips in der Ferne jaulen, als ich das wackelige Boot bestieg.
»Hält das auch?«, fragte ich zittrig und spannte meinen ganzen Körper an.
Renate hielt den Kahn am Ufer fest, und Nele stieg als Zweite ein. Stolpernd machte ich ihr Platz.
»Nun pass doch auf!«, rief Nele, als wir aneinanderprallten.
»Tu ich doch!«, gab ich weinerlich zurück.
Renate kletterte als Letzte in das Boot, machte die Leine los, und wir stachen in See.
»Aber nicht so weit raus«, flehte ich ängstlich. »Da hinten geht schon der Mond auf, und im Dunkeln finden wir nicht mehr zurück.«
»Siehst du nicht die Lichter am Ufer?« Nele zeigte mit dem Kopf in Richtung Campingplatz. Tatsächlich, überall leuchteten kleine Lichter und Lampions, und ihr Widerschein tanzte auf dem See. Nele steckte sich eine Zigarette an. Als die Flamme des Feuerzeugs kurz ihr Gesicht erhellte, fiel mir auf, wie braun sie geworden war und wie gesund sie aussah. Welche Tortur dieser Zelturlaub für mich auch bedeutete, Nele tat er ganz offensichtlich gut. Ich schaute zu Renate rüber, und im Halbdunkel hatte ich den Eindruck, dass sich die Falten auf ihrer Stirn geglättet hatten. Ich überlegte, ob ich mich vielleicht auch verändert hatte und ob ich am Ende gar nicht so beschissen aussah, wie ich mich gerade fühlte.
»Also«, begann Renate. »Zwischen uns läuft einiges schief, und ich finde, wir müssen darüber reden. Du«, sie sah mich an, »du benimmst dich ganz schön zickig. Ich weiß gar nicht, was das soll.«
Schon öffnete ich den Mund, um zu sagen, wie unfair ich das fand. Ich kam mir vor wie bei einem Tribunal auf hoher See. Warum sollte ich an allem schuld sein? Renate hatte ja recht, zwischen uns lief einiges schief, aber dafür waren wir doch alle drei verantwortlich. Aber bevor ich zu Wort kam, sprach Renate schon weiter.
»Du brauchst dich nicht zu wehren. Ich glaube, deine schlechte Stimmung ist nicht nur wegen der Hippieklamotten und dem Campen.«
Nun war ich aber gespannt. Dass sie tatsächlich eine Mitschuld einräumte, verblüffte mich. Es war nicht Renates Art, und das wusste ich seit der Kindheit. Trotz eines sehr gutmütigen Kerns hat sie auch eine störrische Natur. Man muss erst einmal durch die Stacheln durch, bis sie etwas zugibt oder sich entschuldigt. Renates Einlenken kam diesmal früh. Viel zu früh, um ohne Absicht zu sein. »Ich glaube vielmehr, dass wir alle in den letzten Tagen nicht besonders ehrlich zueinander waren. Du hast das gespürt und dich vermutlich gegen diese Oberflächlichkeit gewehrt.«
Oberflächlichkeit? So hatte ich die Stimmung nicht empfunden, sah man mal davon ab, dass wir in den letzten Tagen mehr mit dem Hund, dem Regen und dem R4 als uns beschäftigt gewesen waren. Erst die letzte Nacht hatte die Qualität gehabt, die unsere Freundschaft eigentlich ausmachte. Dieses Auf-den-Grund-Gehen, uns gegenseitig widerspiegeln, um die Lücken des Lebens besser zu erkennen. Mich hatte die Nacht in Fuchurs Bauch zum Denken angeregt. Es brodelte und kochte in meinem Inneren, auch wenn ich die einzelnen Gedanken noch gar nicht wirklich fassen konnte.
»Aber ich war doch ehrlich heute Nacht«, versuchte ich mich zu erklären.
»Du vielleicht«, Renate atmete hörbar aus.
»Ich auch«, erklärte Nele in die anbrechende Dunkelheit hinein und schickte noch ein leises »Fast« nach.
»Bei mir ist das anders«, gestand Renate. »Es gibt etwas zu sagen, das rauswill, und deswegen fange ich nun endlich damit
Weitere Kostenlose Bücher