Drei Frauen im R4
Autolautsprecher lausig plärrte. Die von uns, die damals noch mehr zugedröhnt waren, lagen mit Zappa im Gras und starrten in den Himmel, weil dort fliegende Hunde und tanzende Katzen unterwegs zu sein schienen.
Insofern konnten Fips und Gritli schon die Ausgeburt eines zu heftig inhalierten Joints gewesen sein. Dass alles jedoch mehrfach passiert sein sollte, machte das Ganze systemverdächtig.
»Ich finde, dass wir einfach abwarten sollten. Ich vertraue Sonja, solange nichts gegen sie spricht«, entschied Nele und zündete ein Sandelholz-Räucherstäbchen an, dem die Gabe zugeschrieben wurde, Energien zu klären.
»Die zwei Nächte sind ja auch schon bezahlt, und es regnet sowieso, da können wir auch noch hierbleiben«, pflichtete Renate ihr bei. Ich hielt die Luft an. Wie konnten die beiden nur so gelassen bleiben? Nur zu gerne hätte ich recherchiert, was es mit Sonja und ihren Hunden auf sich hatte. Aber ich konnte ja nicht, ohne Internet.
»Wie? Hier weiter in diesem Morast hocken? Mit Dauerwurst, Ölsardinen aus der Büchse und Knäckebrot?« Und als weiteren Belag Langeweile und Tage, die sich hinzogen wie Kochkäse.
»Solange es nicht reinregnet!« Nele ignorierte mich und atmete tiefgläubig den Sandelholzgeruch ein.
»Und was machen wir mit Fips, wenn es diese Gritli nicht gibt?«, versuchte ich auf der sachlichen Ebene weiterzukommen.
Fips hob den Kopf, grunzte kurz. Wenn es diese Gritli nicht gab, dann standen uns weitere Grenzübergänge bevor, mit einem Fips, der nicht in den Rucksack wollte.
Noch ehe ich weiterfragen konnte, stieß eine Windböe in das Zelt, und wir hörten, wie unsere Nachbarn trotz des Regens nach draußen sprangen, um Stangen und Seile festzuzurren.
»Oijeujeu!«, riefen auch wir und hielten unsere Planen von innen fest, aber wir hatten Glück. So klein unser Boot auf diesem wilden Rasen auch war, es hielt uns aus und beschützte uns, so gut es ging.
»Wie war das eigentlich damals, mit diesem Italiener?«, fragte Nele mit einem Mal total unvermittelt. Sorgfältig zog sie dabei den Reißverschluss am Eingang zu. »Na, der Italiener von damals, du weißt schon …!«
»Weiß nicht, was du meinst«, antwortete Renate und schloss die Augen träge wie eine alte Katze. Ich versuchte zwischenzeitlich, mir ein wenig mehr Platz zu verschaffen.
»Also, ich weiß noch, wie du von dem geschwärmt hast«, hangelte sich Nele weiter, denn wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann gibt sie so schnell nicht auf. »Sang er nicht sogar in einer Band? In so einer Folkband … wie hieß die noch mal …?«
»Bevano Est«, antwortete Renate tonlos und kniff ihre Augen ein wenig fester zusammen, damit Nele bloß nicht weiterbohrte.
»Tja nun«, signalisierte mir Nele enttäuscht. Sie bekam dabei einen Gesichtsausdruck, wie ich ihn das letzte Mal bei einer Schamanin beim Ostermarsch 1982 beobachtet hatte.
Auf Facebook hatte ich weit über hundertfünfzig Freunde, und nun war ich mit meinen zwei besten unterwegs und spürte mehr und mehr, dass es eins ist, von Freundschaft zu sprechen, und ein anderes, sie wirklich zu leben, so ohne Twitter, Clouds und Skype und Apps. Die virtuelle Welt war einfacher als die hier auf dem Campingplatz. Alles war möglich, wenn man im Netz spazieren ging.
Über den Kocher hatte Nele vom Zelt aus eine Plane gespannt. Die Plane war aus einer alten Aldi-Tüte gebastelt. Solch eine Tüte hätten wir früher ganz sicher nicht benutzt. Der Geruch von angedickter Tomatensoße mit Nudeln und Hackfleischbällchen à la »Sprechen wir nicht drüber« lockte Renate aus dem Schlaf. Sie robbte zum Eingang, leckte sich den Mund und ließ dann ihren Löffel in die heiße Pampe tauchen.
»Das sieht aber lecker aus«, rief unser Nachbar uns zu, und ich war mir sicher, dass er damit Renates Ausschnitt meinte und nicht unser Essen.
»Ups«, machte Renate und zog den Ausschnitt kokett hoch. Die leichte Röte auf ihren Wangen konnte sie nicht verbergen. Sie lachte verschämt, und der Motorradfahrer ließ wie zum Gruß Rauchringe aus seiner Pfeife steigen. Fips sprang auf und lief hinüber zum Pfeifenmann, der ihm freundlich das feuchte Fell kraulte. Auch Nele schaute gespannt in seine Richtung, und ich fühlte mich plötzlich irgendwie überflüssig.
»Und was macht ihr hier im Regen?«, setzte er seine Unterhaltungsversuche fort.
»Wir machen Urlaub«, flötete Renate, und Nele lächelte versonnen.
»Das riecht zwar gut, was ihr da kocht, aber bei dem Wetter …
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