Drei Frauen im R4
das gewöhnt hatte, das mir so fremd gewesen war, konnte mir Ebbe in der Haushaltsdose keine Furcht einjagen.
»Dann müssen wir jetzt Würstchen verkaufen? Oder wir verteilen Werbung in der Fußgängerzone? Oder wir verkaufen Pommes frites oder Unterhosen oder legen Unterhemden zusammen? Oder wir helfen bei der Apfelernte?« All das hatten wir früher gemacht, wenn eine von uns in die roten Zahlen kam. Doch Nele und Renate sahen mich so verständnislos an, als wäre nun ich es, die begonnen hätte, Häschenwitze zu erzählen.
»Wollt ihr daheim anrufen und euch Geld schicken lassen?« Maiki fummelte aus der Jackentasche sein Smartphone, das leise gestellt war, denn selbstverständlich hatte es in einem Zelt der 80er auch keine Anrufe gegeben, und schon gar nicht mit personifizierten Klingelzeichen.
»Wenn schon, dann geh ich eine Telefonzelle suchen oder frage Urs«, bügelte ihn Renate unwirsch ab.
»Morgen ist hier eh Nationalfeiertag«, meinte Maiki. »Da geht gar nichts. Da sind zwar ein Haufen Leute unterwegs und die Läden offen, aber Post und Banken haben zu. Wenn die euch Geld schicken, dann kommt das erst übermorgen an.«
Ich versuchte die neue Situation anzunehmen, so gut es ging. Mein Gemüt war zwar wirklich heiter, aber ich musste mir auch eingestehen, dass weitere Tage in Luzern nicht nur schön, sondern auch eine Herausforderung für mich wären. Die Nächte mit Nele und Renate waren zwar kuschelig, aber eben auch verdammt eng. Ständig lag irgendein Bein über mir, oder eine von uns las, wenn die anderen schon schlafen wollten. Dummerweise war ich ja jetzt auch noch an der Reiseverzögerung schuld. So schnell kann man in diesem Urlaub ja gar nicht umdenken, dachte ich, wie das Rad sich dreht. Ich dachte an all die Fügungen und Überraschungen, die es schon gegeben hatte.
»Man muss mit allem rechnen, auch mit dem Schönen«, zitierte ich deshalb meinen Lieblingsspruch, den ich mir vor Jahren von einem Filmplakat geklaubt hatte. Aber Nele und Renate waren längst noch nicht so weit, sich dem Schönen zuzuwenden. Was vielleicht auch verständlich war, denn schließlich war ich von Wolfgang angerufen worden, und das tat mir soooo gut, soooo gut, wie ein paar aufgefressene Scheine gar nicht schlecht sein konnten.
»Deine Fußnägel sind lackiert?«, bemerkte Renate mit einem Mal den Rest meiner Bauernmalerei, die am frühen Morgen stattgefunden hatte. Angriffslustig wanderten auch Neles Augen zu meinen Zehen hin, die sich glänzend rot von dem Schmutzbraun meiner Birkenstocks abhoben. Auweia, dachte ich noch schnell, an die habe ich beim Umziehen nicht mehr gedacht.
»Ich habe … ich sah … ich wollte …«, stotterte ich los und überlegte dabei krampfhaft, wie ich es vermeiden konnte, dass sie sich nach der Herkunft des Nagellacks erkundigen würden. Erst viel später, eventuell beim nächsten Weihnachtsfest, hatte ich vorgehabt, von meinem kleinen Vergehen im Duschraum und auf dem Campingplatz zu erzählen. Dann, wenn meine beiden Grazien das Glas wieder halbvoll sahen und nicht mehr wie Heidi Kabel die Arme in die Hüften stemmten.
»Eine Frau vom Campingplatz hat mir ein bisschen Nagellack geliehen«, gab ich mich lässiger, als ich mich fühlte. Leonard Cohen versuchte unterstützend aus dem Zelt mit Suzanne gegen die miese Stimmung anzusingen, hatte aber bei den Ladys auch kein Glück. Dabei zählte Suzanne zu den Lieblingsliedern von Renate.
Kleine unsichtbare Gewichte zogen Neles Mundwinkel herunter. Ich hatte diesen Mund bei Angela Merkel schon gesehen, und Renate, die ansonsten immer schnell abzulenken ist, spielte Oma Eusebia und band sich schweigend ihre Schuhe zu. O. k., dachte ich, dann legen wir den Schalter halt ein bisschen später um. Wenn die beiden so viel Spaß hatten an ihren strengen Exerzitien, dann war ich heute die Letzte, die ihnen die Freude daran nehmen wollte.
»Ich schlage vor, dann ziehst du los und gehst sie suchen, damit sie dir auch gleich den Nagellackentferner gibt«, forderte Nele mich energisch auf, und ich dachte an meine Kollegen, denn bei ihnen war es auch so: Wenn sich schwierige Situationen ergeben, sind Nebenkriegsschauplätze sehr beliebt.
»Ich mach den Nagellack später runter«, lenkte ich mindestens genauso energisch ein. »Lasst uns lieber mal über das Geld und die leere Dose sprechen.«
»Nele hat aber recht«, warf Renate bissig ein. »Das ist gegen die Abmachungen. Warum sollten deine Zehen bunter sein als meine?«
»Was seid denn
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