Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
Vom Netzwerk:
und dass ich ihr vertrauen konnte, wenn sie mir versprach: »Ich bring dich heim!«

Kapitel 15
    Mir ist heiß
    - Nina Hagen -
    »Isch brauch euch bei dem Krankentransport nisch«, erklärte Erika entschieden, als Nele und Renate mit in den Laster steigen wollten. »Da ist bereits die Invalide drin. Noch mehr Menschen, und bei mir bricht die Platzangst aus. Sagt mir, wohin ich fahren soll.«
    Aus dem Seitenfenster beobachtete ich Renate, wie sie Erika den Namen des Campingplatzes und die Parzelle auf die Rückseite einer Brottüte schrieb. Wohl war ihr dabei nicht, das konnte ich an dem Pochen an ihrer Schläfe sehen. Lass gut sein, klopfte ich ihr an die Scheibe und meinte damit Erika und mein Vertrauen in sie. Doch nur zögerlich überließen mich Nele und Renate einer uns nicht bekannten Frau. Ich lehnte mich zurück und versuchte mich zu sammeln. Bloß nicht zu dem Schmerz hindenken, nahm ich mir versuchsweise vor. Soweit das ging, mit diesen Messerstichen in meinem Bein. Schnell stellte ich mir wieder den Jubel der Menschenmenge vor. Wie sie ausgerastet waren, als Nele auf meine Arme sprang. Genau, ausgerastet, mein Ischiasnerv zuckte sofort los. Niemals in meinem ganzen Leben würde ich die Gesichter vergessen, die mir zugelacht und zugejubelt hatten. Luzern war nicht die große Bühne, aber einen Anfang hatte ich gemacht. Und dass ich dafür meine Wirbelsäule fast zersplittert hatte, nahm ich für den Erfolg sehr gern in Kauf.
    »Daheim bekommst du Aspirin«, beugte sich Nele zu mir in den Laster, und ich nickte ergeben. Wenn nur der Schmerz aufhörte und ich etwas schlafen durfte, dann war bald alles wieder gut. »Brennnesselsud würde hier echt besser wirkten!«, beharrte Renate auf klösterlichem Heilkundewissen. »Und was machste mit dem Kopf?« Nele bestand weiter auf dem Aspirin.
    Erika versuchte die Diskussion mit einem Trommeln der Finger abzukürzen.
    »Wenn die Damen vielleischt mal …«, gab sie Gas, aber Schwung war das Letzte, was ich jetzt brauchte. Und obwohl Erika ganz offensichtlich eine Seele von Mensch war und es bei mir nichts zu rauben gab, bestand Renate auf Begleitschutz für mich.
    »Fips fährt aber mit«, ihre Stimme ließ keine Widerrede zu, und schon sprang Fips über den Fahrersitz direkt nach hinten auf meinen Bauch.
    »Autsch!«, beschwerte ich mich laut.
    Mit einem »Auf geht’s, Maderln« bewies uns Erika, dass sie auch schon in Bayern Truck gefahren war. Wuchtig platzierte sie sich auf dem Fahrersitz, so dass er mehrfach nachfederte, und steckte mit großer Geste den dicken Zündschlüssel in sein Schloss. Die Motoren brummten los. Es mussten mehrere sein bei dem Donner, der unter der Haube hervorvibrierte.
    »AAhhh«, freute sich Erika, »datt issen fetter Klang, was? Musik in meinen Ohren!«
    Sie löste alle Bremsen, und los ging es, auf zur großen Fahrt. Dabei war es Erika wichtig, dass das auch alle mitbekamen. »Erst mal tschüs sagen«, erklärte sie mit frecher Stimme und drehte eine enge Runde auf dem Platz, wo viele Touristen auf die Schiffe warteten. Die Mitbringsel und Fähnchen, die an der Frontscheibe des LKW s klebten, tanzten heftig dazu, und der kleine Elvis, der am Rückspiegel befestigt war, begann zu zappeln, als hätte er einen Anfall. Wie es sich für ihre Zunft gehörte, blendete Erika die schimpfenden Gesichter aus und tippte nur lässig mit dem Zeigefinger an ihre Kappe, wenn sie einem Passanten störend nahe kam. Laut lachend und abenteuerlustig schwang sie den Brummi auf die Straße, die in Richtung Campingplatz führte. Auch ohne Blick auf den Tacho wusste ich, Erika fuhr zu schnell, und ich war mir fast sicher, auch ein Polizist könnte sie nicht bremsen.
    »Krankentransporte haben Vorrang«, erklärte sie laut und legte sich wie eine Motorradfahrerin in die Kurve. »Hoppala!«, dröhnte sie dazu und winkte mit der Hand aus dem Fenster weit nach hinten, wo Nele und Renate in Fuchur förmlich an der Stoßstange des Lasters hingen.
    »Lebten Sie früher auch eher alternativ?«, erkundigte ich mich nach vorne, nur um was zu sagen.
    »Saach du , Liebelein«, bot mir Erika die schwesterliche Freundschaft an und reichte mir über die Schulter ihre Hand. Sie schüttelte die meine so heftig, dass zu meinem geschundenen Rücken nun auch ein ausgekugelter Arm zu befürchten war. Während meine Hand in der ihren durch die Luft flog, bemerkte ich, dass Erikas Hand von Indianerringen und Cowboyarmbändern übersät war. Sie war eine einzige Wildweststatue,

Weitere Kostenlose Bücher