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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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und insofern lag ich mit meiner alternativen Annahme ziemlich daneben. Erst jetzt bemerkte ich das Lederband mit dem glänzenden Türkis, das Erika sich ins Haar geflochten hatte. Wie eine Lederstrümpfin sieht sie aus, dachte ich und atmete zu meinem Schmerz tief aus.
    »Nä, nä. Da liegste völlig falsch.« Damit setzte Erika den LKW über einen Bordstein hinweg, und ich schrie von Schmerzen gepeinigt auf, weil Fips gegen meinen Körper flog. »Isch war immer eher ein Bowie-Fan und hab mit Volksliedern nix am Hut. Hoppala!« Mächtig legte sich der Laster schief. »Isch bin zu jung, um ein Achtundsechziger zu sein, und zu alt für ’nen Punk.«
    Gute Einordnung, dachte ich stöhnend. Muss ich mir merken, wenn mich wieder mal jemand fragt, warum ich so komisch angezogen bin. Erikas Definition klang wesentlich interessanter als die Gesinnung, die ich Ökosocke nannte.
    »Und wo willst du hin mit deiner Ladung?«
    »Nach Italien jeht et …« Erika kurbelte am Lenkrad des Trucks, und jetzt wusste ich, an wen sie mich erinnerte, nämlich an die legendäre Trude Herr. »In datt schööne Italien.«
    »Und dort willst du keine Schokolade, sondern einen Mann …«, phantasierte ich mit Fips auf dem Bauch. »Du sprichst aber nicht nur Kölsch«, rief ich wieder lauter und spielte damit auf das »datt« und die »Maderln« an.
    »Isch sprech allet«, Erika lenkte den LKW mit großer Geste nach links und legte sich dabei gefährlich in die Kurve. Der Padre-Pio-Schlüsselanhänger, der neben dem Elvis an ihrem Spiegel baumelte, torkelte im Wind. »Isch bin Kölle und Mannem und Saarbricke, isch bin Berlinerin. Manschmal«, sie drehte sich verschwörerisch zu mir um, »bin isch sogar Ludwigshafen und Düsseldorf. Nischt nur als Kosmopolit is man interessant. Die Liebe zur Welt steckt im Detail.«
    »Frau«, ich hielt vor Schmerzen die Luft an. »Frau.«
    Um Erika davon abzubringen, weiter so schnell und insbesondere so ruckelig zu fahren, versuchte ich das Gespräch aufrechtzuerhalten.
    »Und wohin geht es da genau?«
    »Emilia-Romagna. Nach Forli, wenn dir dett was sagt. Das is äine besonders schöne Jejend. Meiner Meinung nach«, sie hob den Zeigefinger, »von Touristen völlig unterschäzdt.«
    »Das gibt’s ja nicht!«, sagte ich und richtete mich ächzend auf. »Das ist ja genau die Ecke, wo auch wir hinwollen.«
    Erika griff nach dem Amulett, das unter Padre Pio hing. Es war Indianerschmuck mit ein paar bunten Federn. »Das ist ’n Zeischen!«, stammelte sie ganz ergriffen. »Isch werde darüber nachdenken, der große Adler hat gerade zu uns gesprochen. Aber jetzt«, kam sie schnell wieder auf der Straße an, »muss isch erst mal diesen Knilsch umfahren!«
    Damit meinte sie Meister Urs, der wild winkend aus seiner Rezeption gesprungen kam, weil Erika mit ihrem dicken Brummer es sich nicht nehmen ließ, mich direkt bis vor unser Zelt zu fahren, auch wenn sie dabei ein paar Papierkörbe und die Anzeigentafel mit den Ausflugstipps der Saison umnagelte. Dicht auf unseren Fersen hingen noch immer Nele und Renate.
    »Das is ein Noootfallll!«, brüllte Erika im Kasernenton durch das offene Fenster Urs entgegen, und ich ahnte auf meiner Liege, dass Urs aus allen Poren dampfte, denn die Hupe des Trucks dröhnte dabei ziemlich laut. Als wir endlich standen, umlagerten die Kinder das große Gefährt. Sie beömmelten sich, als man mich wie einen verletzten Sack aus dem Fahrerhäuschen hievte und ich in das Zelt getragen wurde. Ich fühlte mich wie Goliath unter den Zwergen.
    »Endlich«, atmete ich auf, als ich wieder liegen durfte. Niemals mehr würde ich dieses Zelt verlassen.
    Kurze Zeit später hatte sich Renate in Doktor Dolittle verwandelt und begann, meinen Rücken mit stark erwärmtem Olivenöl zu bearbeiten. Mit kräftigen Bewegungen knetete sie das Fett in meine Rückenmuskeln ein und bekam nicht genug davon, sich selbst und die Art ihrer Therapie zu loben: »Reinstes Olivenöl, kalt gepresst und heiß serviert.«
    Damals hatten wir uns nicht mal Livio leisten können.
    »Wo-ha-ast-du-da-as-denn-he-er?«, versuchte ich eine Frage unter ihren drückenden Händen zu formulieren. Renate stemmte sich derweil mit aller Wucht in meinen Brustkorb, als gälte es, mich schnellstmöglichst wiederzubeleben. Gegen ihren Protest löste Nele mir gleich zwei der kostbaren Aspirin-Brausetabletten auf. Dass sie so großzügig war, nahm ich als Zeichen ihrer Liebe.
    Renate riss eines der gammeligen T-Shirts in Fetzen und badete es nun

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