Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Drei Frauen und los: Roman (German Edition)

Titel: Drei Frauen und los: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Ephron
Vom Netzwerk:
nach. Weil er nicht da ist.«
    »Er wendet uns den Rücken zu. Das heißt einfach: Ihr könnt mich mal. Echt klasse, dieser Marcel! Warum versteckt er sich nicht in der Höhle?«
    »Weil sein Unterschlupf so traurig ist«, sagt Tracee. »Diese weiße Hütte. Sie sieht aus wie ein Iglu.«
    »Das ist elegant«, stellt Rita fest.
    »Was?«, erwidert Lana.
    »Diese Hütte?«, fragt Tracee.
    Rita zögert. Harry hat immer gesagt, sie solle ihre Meinung für sich behalten. »Niemand will etwas von dir wissen. Niemand ist daran interessiert, was du denkst.« Das hat er ihr eingehämmert, aber Lana hakt nach: »Was meinst du mit ›elegant‹?«
    Rita bemüht sich um eine einleuchtende Erklärung, um sich des Interesses würdig zu erweisen. »Sich wegzudrehen ist elegant, weil es so einfach ist. Was soll er denn sonst tun? Er sitzt in einem Käfig. Wie kann er da seine Würde bewahren? An jedem einzelnen Tag, den er in diesem Käfig verbringt, wird er weniger der, der er einst war.« An dieser Stelle zittert ihre Stimme, und zum Ausgleich spricht sie schneller. »Wie soll er sich an etwas festhalten, was er vielleicht nie hatte?« Sie hat mehr gesagt, als sie wollte, und erwartet, dass die beiden in lautes Gelächter ausbrechen. Harry hat sich immer amüsiert, wenn sie etwas gesagt hat, auch wenn sie gar nicht komisch sein wollte.
    Aber Lana und Tracee scheinen in wohlwollendem Schweigen über ihre Worte nachzudenken. »Cool«, sagt Tracee schließlich.
    »Er folgt dir«, sagt Lana.
    »Ach?«
    »Das ist die einzige Bewegung, die er macht. Sobald du in der Bar bist. Es ist mir aufgefallen.«
    Lana dreht sich auf die Seite und schiebt das Kopfkissen näher an ihre Schulter heran. Tracee weiß, das bedeutet, dass Lana bald einschlafen wird. Sie lauscht auf Ritas leisen, regelmäßigen Atem. Rita schläft so still. Eines Nachts hatte Tracee schon Sorge, sie wäre ins Koma gefallen. Nach ein paar Minuten, als sie sicher ist, dass ihre Mitbewohnerinnen fest schlafen, holt sie die Diamantkette unter ihrem Kopfkissen hervor. Sie wickelt sich das Halsband zweimal um ihr schmales Handgelenk. Die Steine sind so hübsch, denkt sie, wie winzige Sterne.

Tracee
    Das Erste, was Tracee stahl, war ein Haargummi. Es geschah in der Vorweihnachtszeit, und sie befand sich bei Squires, einem kleinen Kaufhaus in Fosberg, Maryland, dem Ort, wo sie und Lana aufgewachsen sind. Sie war neun Jahre alt und ganz allein über sechs Querstraßen bis zur Broad Street gegangen. An der Broad Street, deren Laternenmasten mit silbernen und grünen Girlanden weihnachtlich geschmückt waren, lagen alle teureren Geschäfte von Fosberg, und am vorderen und hinteren Ende gab es auch ein paar Billigläden wie Squires. Die Broad Street teilte die Stadt in den nördlichen Teil, mit Villen auf großen, von alten Bäumen bestandenen Grundstücken, und den südlichen, wo Tracee und Lana wohnten, mit seinen kleinen, aluminiumverkleideten Flachbauten im Einheitslook, die ursprünglich für Weltkriegsveteranen gebaut worden waren.
    Tracee war nicht groß – das kam erst später, als sie mit dreizehn einen Wachstumsschub hatte –, und wenn sie gelegentlich in einem der Gänge stehen blieb, musste sie sich auf die Zehenspitzen stellen, um die Waren sehen zu kön nen, die in den einzelnen Fächern auf der Verkaufstheke lagen. Sie spielte mit den bunten Haargummis, schob sie auf ihr Handgelenk und wieder hinunter und zog sie in die Länge. Die Auswahl war riesig, zumindest kam es ihr so vor. Es gab Zopfgummis in allen Farben und mit den verschiedensten Stoffüberzügen, in glänzendem Schottenkaro oder gepunktet, mit Jeansstoff oder Samt. Mr. Squires stand hinter der Theke, genau vor ihr, als sie unversehens einen mit rotem Samt bezogenen Haargummi in die Tasche steckte. Er glitzerte, denn er war über und über mit Pailletten besetzt.
    »Was hast du da genommen, mein Fräulein?«
    Es war komisch, so genannt zu werden.
    »Nichts.«
    Schnell wie der Blitz war er um den Tresen herum und zog den Haargummi aus ihrer Hosentasche. »Wo sind deine Eltern?«
    Tracee schüttelte den Kopf.
    »Mit wem bist du denn hier?«
    Tracee schüttelte den Kopf.
    Er packte sie am Arm und zerrte sie an den neugierig starrenden Kunden vorbei in sein kleines Büro im hinteren Teil des Ladens. »Du bist ein schlimmes Mädchen.« Mit rotem Gesicht und atemlos vor Zorn starrte er auf sie herab. Er kam Tracee vor wie ein roter Luftballon, der jeden Moment platzen konnte. »Ich rufe jetzt deine Eltern an.

Weitere Kostenlose Bücher