Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
ihres Kleiderschranks. Eine Weile lang stahl sie am liebsten bei Rite Aid, einer Drogeriekette, wo es zu wenig Verkäuferinnen gab und es daher einfach war, einen Augenbrauenstift oder eine hübsche Dose mit Pfefferminz einzustecken. Aber meistens nahm sie die Sachen ganz nebenbei, aus einer plötzlichen Sehnsucht heraus, wo immer sie gerade war und was ihr so ins Auge sprang.
Die Leute in Fosberg wussten, dass Tracees Eltern das junge Mädchen oft in einem mehr oder weniger leeren Haus zurückließen. Sie wussten auch, dass Bob Byrne, Lanas Vater, sich um Tracee kümmerte, und dass sie und Lana unzertrennlich waren. Tracee sah mit ihren großen Augen sehr unschuldig aus und war sehr mager – so viel sie auch aß, es setzte nie an. Das mitleidige Lächeln der Leute, wenn sie sie grüßten, war Tracee längst gewohnt. Auch dass man ihr den Kopf tätschelte, störte sie nicht, obwohl sie nicht wusste, warum die Leute das taten.
Die Jungs lernten schnell, dass man bei Tracee mit Komplimenten weiterkam. Sie sehnte sich nach Zuneigung und Lob und wollte gemocht werden. Deshalb genügte schon ein bisschen Schmeichelei, und sie bekamen, was sie wollten. Dank der regelmäßigen Unterstützung von Lanas Vater schaffte Tracee die Highschool, aber zum Studium musste sie überredet werden. Am liebsten hätte sie jeden Nachmittag und Abend damit verbracht, Wiederholungen der Cosby Show zu sehen. Sie liebte diese Fernsehfamilie: Cliff und Clair Huxtable und ihre vier Kinder, besonders Denise, die freche Teenager-Tochter. Sie liebte das gemütliche und immer volle Haus der Huxtables. In Theos Zimmer herrschte ein solches Durcheinander. Sie fand es toll, wie Cliff und Clair ständig überlegten, welche Streiche ihre Kinder wohl jetzt schon wieder ausheckten, und wie sie sich am Abend an den Bettrand setzten, um mit dem Kind ernsthaft darüber zu sprechen. Und sie waren alle so lustig. Offenbar hatte jeder in dieser Familie ständig Spaß.
Als Lana nach der Highschool nach Baltimore zog, ging Tracee mit. Sie teilten sich ein Zimmer im obersten Stock werk eines zweistöckigen, aus Ziegeln errichteten Reihenhauses. 400 Dollar im Monat. Lana studierte an der Universität, bis sie rausgeworfen wurde, während Tracee eine ganze Reihe von Jobs hatte – in einem Expressfotolabor, bei Betsy’s Hair (sie wusch die Haare, kehrte den Boden und reinigte die Toiletten), und dann bei Sun Spot, dem Sonnenstudio, wo sie J. C. kennenlernte, der sich gelegentlich eine Bräunung gönnte. Tracee ging ans Telefon, begrüßte die Kunden und nahm das Geld entgegen.
J. C. fand sie scharf und wusste sofort, dass sie leichtgläubig war, denn er hatte ihr für seine Sitzung zu wenig Geld gegeben und ihr eingeredet, sie hätte nicht richtig gezählt, ehe es ihm leidtat und er die Wahrheit gestand. Er lud sie auf ein Grillhähnchen ein und schlief gleich am ersten Abend mit ihr. Als er am nächsten Morgen aufwachte, entdeckte er, dass sie sein Zimmer geputzt und alles aufgeräumt hatte, und das gefiel ihm. Sie wurde zur Gewohnheit.
Für Tracee war J. C. ein Traummann. Er grinste auf unverschämt attraktive Weise, trug eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern und hatte weizenblonde Strähnen im braunen Haar. Bald übernahm sie es, seine Haare genau so zu färben, wie er es mochte. Im Umgang mit Haarfarbe war sie ein Profi, und die Highlights hatte sie echt raus. Das hatte sie sich bei Betsy’s Hair abgeschaut.
J. C. war Gewichtheber, und weil er gern Publikum hatte, begleitete Tracee ihn oft zum Training. Sie setzte sich auf das Standfahrrad, ohne zu treten, und beobachtete ihn dabei, wie er sich vorbeugte, ächzte und siebzig Kilo über Kopfhöhe stemmte. Er konnte auch sie wie eine Hantel heben und fragte oft, ob er es tun solle, und dann warf er sie aufs Bett. Sie hasste das, es machte ihr Angst, aber das wollte sie ihm nicht sagen. Wenn sie sich über irgendetwas beklagte, wie damals, als er mit Joanne, einer Trainerin im Sportzentrum, schlief, dann sagte er nur: »Willst du, dass wir uns trennen?« Tracee ertrug es, wie eine Hantel herumgehoben zu werden, und sie ertrug auch J. C. s kaum versteckte Seitensprünge, ohne Lana davon zu erzählen. Lana und J. C. waren wie Feuer und Wasser.
Nach drei Jahren Beziehung mit Tracee schrieb sich J. C. , der hinter der Bar eines billigen Hotels arbeitete, für eine Teilzeitausbildung an einer Audio-School ein. Er wollte ins Musikbusiness einsteigen. Auch wenn er nicht sonderlich begabt war, was die
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