Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
entschlossen.
Er besteht darauf, die beiden Kartons zu Nummer 19 zu tragen, zwei Türen weiter.
»Stell sie einfach vor die Tür«, sagt Lana. »Du kommst noch zu spät zur Arbeit.«
»Danke, Tim«, sagt Rita.
»Ich bringe auch noch das Hochzeitskleid«, erklärt er.
»Das muss nicht sein«, sagt Tracee.
An Nummer 19 fehlt die Neun. Da sind nur zwei Nagellöcher, und im alten Anstrich ist der Schattenriss einer Neun zu sehen. Der Türknauf klappert ein bisschen – er scheint lose zu sein –, als Lana aufsperrt und die Tür mit dem Fuß aufstößt. Ihr neuer Raum, ein Zwilling von Tims Zimmer, riecht muffig. Rita zieht die Jalousien hoch, bei denen einige Lamellen etwas verbogen sind, und öffnet das Fenster. Lana wirft das, was von ihrem Lohn noch übrig ist, auf den Schreibtisch. »Ich habe bloß noch zwölf Dollar.«
Der Anblick des verknitterten Zehn-Dollar-Scheins und der beiden Ein-Dollar-Scheine macht es unmissverständlich klar. »Wir werden nie genug verdienen, um das Auto reparieren zu lassen. Wir hängen für immer in diesem Scheißnest hier fest.«
»Sag das nicht.« Tracees Unterlippe zittert.
»Es stimmt aber.«
Lana geht ins Badezimmer und knallt die Tür zu.
Rita nimmt Tracees Kleid und hängt es auf. Wie zum Test lässt sie mehrmals die Schranktür auf und zu gleiten. Sie möchte Tracee nicht zeigen, wie glücklich sie ist und dass sie lächelt.
Lana leert ihre Kosmetiksachen aus einer Papiertüte ins Waschbecken und ordnet sie in einer Reihe auf dem Spülkasten an. Dann klopft sie auf ihre hintere Hosentasche, erinnert sich, dass es noch immer da ist, und zieht es heraus. Es kommt als Letztes ans Ende der Reihe: das Kondom. Sie stellt das schmale Päckchen auf eine Kante und lehnt es an die Gesichtsreinigungscreme.
19
Von Anfang an hat Rita darauf bestanden, dass Lana und Tracee im Doppelbett schlafen und sie im Sessel, die Beine auf die Matratze gelegt. Sie hat erläutert, das sei nur logisch – sie sei kleiner, daher sei es für sie nicht so unbequem. Normalerweise sackt Tracee als Erste weg, sie schläft ein, noch ehe der Fernseher aus- und die Lampen abgeschaltet sind. Kurz danach schlummert auch Rita. Lana, die seit ihrer Kindheit unter Schlaflosigkeit leidet, nimmt heimlich eine Schlaftablette, was die Anonymen Alkoholiker überhaupt nicht gutheißen würden.
Heute Abend, in dem noch unvertrauten Zimmer und mit der Aussicht, ein ganzes Leben dort zu verbringen, sind sie alle drei aufgedreht. Der Fernseher gibt ein lautes Brummen von sich, was die Benutzung unmöglich macht. Bei ausgeschaltetem Licht liegen sie hellwach da.
»Wer will einen Life Saver mit Kirschgeschmack?« Tracee gibt eine Rolle herum, die sie von Tim bekommen hat. »Bist du noch mal bei einem AA -Meeting gewesen?«
»Warum fragst du mich das, wenn du die Antwort schon kennst?«
»Tut mir leid.« Tracee rutscht ein Stück zum Bettrand. Sie gestattet sich nur ganz wenig Raum. Ständig sorgt sie sich, dass sie Lana beim Schlafen im Weg ist. Lana schlägt um sich. Trotz der Beruhigungstablette schläft sie unruhig.
»Willst du, dass dich jemand begleitet? Ich könnte mitkommen«, sagt Rita.
»Das ist es nicht. Außerdem …« Lana denkt an diesen Typen, den mit den Piercings. Er weiß, dass ihr Dad am Telefon nicht mit ihr sprechen wollte. Sie bemüht sich, die Erinnerung aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Aber wenn man nichts trinkt, ist es viel schwerer, eine Erinnerung auszulöschen, viel schwerer, Scham und Demütigung und Schuldgefühle zum Verschwinden zu bringen. Der Typ weiß, dass ihr Vater nichts mit ihr zu tun haben will. Bestimmt ahnt er, dass sie an allem schuld ist, dass sie das verdient hat. »Ich muss nicht mehr zu den AA . Mir geht’s prima.«
»Muss hart sein, in einer Bar zu arbeiten«, bemerkt Rita.
»Nein, das stimmt nicht. Viele von den Anonymen Alkoholikern arbeiten in Kneipen.«
»Das wusste ich nicht. Trotzdem …«
»Stört es jemanden, wenn ich die ganze Rolle aufesse?« Ohne auf eine Antwort zu warten, stopft Lana sich die ganzen Life Saver auf einmal in den Mund.
Sie zerknackt die Bonbons mit den Zähnen. Die anderen liegen schweigend da, während sie kaut und dann lutscht, bis sich auch der letzte Rest aufgelöst hat.
»Ist euch aufgefallen, dass sich dieser Löwe kaum bewegt?«, fragt Lana.
Tracee kichert. »Er ist wie ein Möbelstück. Das ist so seltsam. Während ich jemandem ein Bier bringe, komme ich an einem Löwen vorbei. Und trotzdem denke ich gar nicht darüber
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