Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
ihnen vorgezählt. Genug, um sich ein eigenes Zimmer zu mieten, und das ist auch gut so, finden sie. Sie haben alle ein schlechtes Gewissen, weil Tim in der Dusche schlafen muss, insbesondere, weil er so fröhlich und zuvorkommend ist und auch noch den Eindruck erweckt, als täten sie ihm einen Gefallen, wenn er sich jede Nacht auf dem feuchten, engen Betonboden zusammenrollen muss. Mit Tracee teilt er sogar seine Klamotten. Sie trägt seine Hemden als Minikleider. Und er fährt sie alle überallhin.
Rita, die jeden Tag heimlich am frühen Morgen Marcel besucht hat, weiß, dass Tim seine Tür nicht absperrt und sie weiterhin heimlich seine Schlüssel nehmen und sich das Auto ausleihen kann.
»Vielleicht gehe ich besser gar nicht mit rein. Ich möchte nicht auffallen«, sagt Tracee.
»Kein Problem«, sagt Lana. Sie erwähnt nicht, dass Tracee jeden Abend in einem Lokal arbeitet. Rita hat sich inzwischen an Tracees Paranoia gewöhnt. Eines Morgens, als Marcel an ihren Haaren schnüffelte und Rita wie immer mit dem Rücken zu ihm saß, die Beine übereinandergeschlagen, sagte sie laut: »Wir verstecken uns alle vor irgendetwas.« Sie stellte das einfach so fest.
»Ich bleibe auf jeden Fall hier draußen, aber schließt bloß keinen Mietvertrag ab oder so«, erklärt Tracee. »Ganz egal, wie sehr diese Dame darauf beharrt.«
Diese Dame, die Marlene heißt, spricht gerade ins Telefon. »Heiliger Bimbam, es ist auf dem zweiten Regalbrett«, sagt sie, und dann, an Lana und Rita gewandt: »Zweihundert im Monat, Barzahlung. – Wo es immer ist«, sagt sie ins Telefon.
Sie ist eine dicke Frau in zu engen Kleidern – ein Trägerhemd und Shorts, die beinahe platzen. Auf dem Kopf hat sie eine schwarze Strickmütze, die tief in ihr rundes Gesicht gezogen ist. Damit versteckt sie ihre Haare. Eine schwarze, strumpfartige Strickmütze mitten im Sommer. Dieses merkwürdige und ein wenig unheimliche Kleidungsstück lässt Rita misstrauisch werden und weckt in Lana die Lust zur Provokation. Den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, zählt Marlene das Geld ab, das sie ihr gegeben haben, nimmt einen Schlüssel vom Haken, Nummer 19, und lässt ihn über die Theke gleiten. Rita bemerkt die heruntergelassenen Jalousien, es sind Verdunklungsjalousien. Hinter der Theke nimmt ein brauner Fernsehsessel mit zurückgeklappter Rückenlehne und hochgeschobener Fußstütze den gesamten Platz ein. Ihm gegenüber steht auf einer Holzkiste ein Fernseher. Er ist eingeschaltet, es läuft eine bekannte Kochsendung.
»Wie kann es sein, dass es hier im Büro Kabelempfang gibt, nicht aber in den Zimmern?«, fragt Lana Rita mit lauter Stimme.
»Bleib dran.« Marlene legt den Hörer ab.
»Das ist ein echt riesiger Sessel«, sagt Rita. Marlene hält ihre Knopfaugen immer noch auf Lana gerichtet, die überall hinschaut, nur nicht zu ihr, und sich betont uninteressiert gibt.
»Gibt’s irgendwelche Beschwerden?«, fragt Marlene.
»Oh, nein, alles in Ordnung«, sagt Rita.
»Sie können sich Kabel besorgen, niemand hindert Sie daran. Das hier ist kein Motel.«
»Für mich schon«, sagt Lana.
»Nein, ist es nicht.«
»Nur weil Sie die Zimmer monatlich vermieten, bleibt es immer noch ein Motel. Es sieht aus wie ein Motel. Es heißt Motel.«
»Vergessen Sie Ihren Telefonanruf nicht«, erinnert Rita Marlene. »Haben Sie vielleicht ein oder zwei Pappkartons, die wir benutzen können?«
»Draußen, hinter dem Haus.«
»Danke. Sehr nett von Ihnen.« Rita hält Lana die Tür auf.
»Das ist ein Motel«, sagt Lana, als Rita die Tür fast, aber noch nicht ganz hinter ihnen zugezogen hat.
»Was hat sie gemacht? Musstet ihr etwas unterschreiben?«, will Tracee wissen.
»Sie hat Kabelempfang.« Lana zeigt der geschlossenen Bürotür den erhobenen Mittelfinger.
»Das verstehe ich nicht.«
»Sie hat eine Kabelsendung angesehen.«
»Na und?«
»Sie hat Kabel und wir nicht.«
»Wir hatten noch nie Kabel.« Tracee schaut zu Rita in der Hoffnung auf eine Erklärung.
»Sie hat ein oder zwei Kartons, die wir benutzen können«, sagt Rita. »Ist das nicht prima? Sie sagt, sie liegen hinter dem Haus.«
Tim folgt ihnen, während sie ihre wenigen Besitztümer zusammenpacken, auch wenn im Zimmer kaum genug Platz ist, um ihnen zu folgen. Er stellt sich hierhin und dorthin und redet auf die eine oder die andere ein. »Es ist wirklich nicht nötig, dass ihr umzieht«, wiederholt er immer wieder.
»Wir können dir nicht länger zur Last fallen«, sagt Lana
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