Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
dass es gar nicht Gott ist, wenigstens nicht unbedingt, aber wenn es nicht Gott ist, wer ist es dann? Das kapiere ich nicht. Die Dinger sind sauer. Meine Zunge löst sich auf.« Lana lässt die Schale auf den Tisch fallen und nimmt sich das nächste Stück. »Ich hab das College geschmissen. Mein Dad redet nicht mehr mit mir.«
»Wegen dem College?«
»Nein. Etwas anderem. Schlimmer.« Lana schlägt sich auf die eigene Wange. Mit aller Kraft.
Rita packt Lanas Hand und hält sie fest. »Warum hast du das getan?«
»Ich weiß nicht.«
»Bitte mach das nie wieder. Bitte.« Rita lässt sie los, aber ihre Hand bleibt in der Luft, falls sie Lana noch einmal festhalten muss.
Lana nimmt ein weiteres Stück Limette. »Du willst doch eigentlich gar nicht süchtig sein.«
»Ich weiß. Ich habe nur gemeint, ich wäre gern rücksichtslos.« Rita schiebt ihren Stuhl zurück und geht zur Tür. Von dort aus kann sie Marcel sehen. Sobald sie auftaucht, erhebt er sich aus seiner Hockstellung und geht langsam zu der Ecke des Käfigs, die am nächsten bei ihr ist. Sein langer Schwanz schleift über den Boden. Er schleift immer. Das macht ihr Sorgen. Es kommt ihr nicht richtig vor.
Clayton ruft laut: »He, Lana, komm raus, hierher!«
»Ekel«, sagt Lana.
Sie wirft ihre Limettenstücke in den Abfalleimer und geht vor zur Bar. »Tracee hat alles im Griff. Wofür brauchen Sie mich?«
»Als Augenweide.«
Verärgert lehnt sich Lana zurück, stützt die Ellbogen auf die Theke und spielt ein selbst erfundenes Spiel, bei dem sie die Gäste einschätzt: In wie vielen Bars warst du schon? Als sechs junge Typen die Tür aufstoßen und hereinschlendern, rät sie: Das ist die zweite. Sie sind großspurig. Ihr Gang verrät gesteigertes Selbstbewusstsein, und sie reden dauernd, wenn auch nicht zu laut (was ein Zeichen für die dritte wäre), aber sie hören nicht auf zu witzeln, als sie von draußen hereinkommen. Mangelnde Aufmerksamkeit, das ist ein Hinweis. Ohne Zweifel, The Lion ist ihr zweites Lokal.
Lana hatte schon immer eine Schwäche für untersetzte Männer. Einer der Typen ist kräftig gebaut und muskulös. Sein Haar hat den gleichen Kupferton wie ihr eigenes – rötlicher in einem bestimmten Licht, eher braun in einem anderen. Auch ihrer beider Hautfarbe ähnelt sich, bräunlich, ohne sonnengebräunt zu sein. Lana nennt das ein Zwillingsding, sie mag es, wenn sie und ein Mann so aussehen, als würden sie zusammengehören, noch bevor sie wirklich zusammenkommen. Er ist nicht größer als sie, eins siebzig, sie ist eins dreiundsiebzig, aber das ist okay, denn er ist scharf, und sie langweilt sich.
»Hey, Clayton«, sagt er.
»Hallo, Tucker, wie läuft’s?«
Clayton versorgt Tucker und seine Freunde mit Bier, und Tucker bemerkt Lana. Lana tut so, als würde sie ihn nicht sehen. Er hebt grüßend die Bierflasche, und Tracee stupst Lana mit dem Ellbogen an, um zu sagen: Schau dir den mal genauer an, aber das hat Lana natürlich längst getan.
Rita kommt aus der Küche und steckt ein paar Vierteldollarstücke in die Jukebox. Sie hat noch nie eine Jukebox bedient, aber sie denkt, dass Marcel vielleicht ein bisschen Musik brauchen könnte.
Die Jukebox, ein großer, glänzender alter Kasten, ist ein einziges Durcheinander aus grellen Farben – Türkis, Pink, Zitronengelb und Limettengrün. Um etwas auszusuchen, drückt Rita einen Knopf, und die Platten drehen sich auf einem silbernen Halter – Dolly Parton, Patsy Cline, Tammy Wynette, George Jones. Alles traditionelle Countrymusik. Dann findet sie einen Sänger, den sie sehr mag, Julio Iglesias. Sie hat ihn im Radio immer gern gehört. Sie drückt einen weiteren Knopf, um den Plattenhalter zu stoppen, und einen dritten, um den Song abzuspielen, »Bamboleo«, den kennt sie noch nicht.
Julio Iglesias aus der Jukebox lässt alle sofort innehalten. An den wenigen besetzten Tischen werden die Gläser abgestellt und Blicke getauscht, als fänden sich alle plötzlich in einem fremden Land wieder, in das sie nie wollten. »Bamboleo« ist Salsa, ein hüpfender, fröhlicher Beat, und Julio Iglesias’ Stimme ist so sanft und verführerisch, als würde er selbst gerade auf einer Tanzfläche die Hüften schwingen. Den Text versteht niemand.
Rita, die nicht bemerkt, was ihr Musikgeschmack auslöst, schaut hinüber zu Marcel, um zu sehen, ob ihm das Lied gefällt. Er hebt den Schwanz ein bisschen und lässt ihn einmal hin und her schwingen. Was für ein netter, eigentlich komischer Schwanz
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