Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
dass sie das nicht schon vorher gewusst hätte, aber in gewisser Weise kam ihr alles vor wie ein großer Spaß.
Sie muss Tuckers Wagen zurückbringen, ehe jemand bemerkt, dass sie damit unterwegs ist. Sie sorgt sich, ob sie wieder zu Tuckers Haus zurückfinden wird, aber sie schafft es, und er ist genau dort, wo sie ihn zurückgelassen hat, er liegt auf seinem Bett, nackt und wie tot – wenn auch nicht wirklich tot.
Sie lässt das Auto dort stehen, wo sie es gefunden hat, und legt die Schlüssel dorthin, wo sie waren, dann hastet sie zur Hauptstraße von Fairville. Allerdings geht sie in die falsche Richtung, muss einen Jogger anhalten, um sich nach dem Weg zu erkundigen, und steht endlich vor dem Star Nails, dessen Tür verschlossen ist. Findet heute Morgen überhaupt ein Meeting statt? Sie geht vor der Tür auf und ab und ist erleichtert, als ein Wagen und bald auch noch weitere Autos auf die Schrägparkplätze fahren. Eine kleine Gruppe Anonymer Alkoholiker versammelt sich und wartet auf denjenigen, der die Schlüssel hat. Aus Gründen, die sie selbst nicht versteht, geht es ihr auf die Nerven, wie fröhlich sich die Leute bei AA begrüßen. Lana hält sich fern, sie hat die Arme gekreuzt, den Kopf gesenkt und hält schnurstracks auf dieselbe grässliche Couch zu, auf der sie beim letzten Mal gesessen hat. Der Typ mit den Piercings lächelt und nickt ihr zu. Lana erwidert die Begrüßung mit einem kühlen, beiläufigen Winken. Sie behält die Kaffeemaschine im Auge, geht hinter den Rücken der anderen vorbei, um sich einen Styroporbecher voll einzuschenken und aus dem Zuckerspender einen Strom Zucker hineinlaufen zu lassen. Es gibt auch Donuts mit Zuckerguss, sie nimmt einen, reißt ihn auseinander und schlingt ihn mit wenigen Bissen hinunter, mit einer Gier, die Marcels würdig gewesen wäre. Das Koffein und der Zucker gehen ihr sofort ins Blut. Jetzt ist sie nicht nur durcheinander und voller Schuldgefühle, sondern auch noch aufgedreht.
Das Mitglied, das heute spricht, ist ein buckliger Mann mit einem so starken Südstaatenakzent, dass sie ihn fast nicht versteht. Vielleicht steht sie zu sehr unter Strom. Gelegentlich hebt er die Hand, streckt einen knochigen Finger aus und malt eine gezackte Linie in die Luft. Ihr fällt auf, dass er am Handgelenk ein weißes Plastikarmband trägt, vielleicht war er im Krankenhaus. Zeichnet er die Nadel an einem Herzmonitor nach? Durfte er das Krankenhaus verlassen, um an dem Meeting teilzunehmen? Das ist alles ziemlich verwirrend. Auf der Couch nebenan tippt eine schwergewichtige Frau, die sich Luft zufächelt, mit ihren Flipflops auf den Boden, während er spricht, und sagt immer wieder »Ja«. Das nervt Lana. In Fosberg und Balti more, wo sie auf AA -Meetings war, hat nie jemand ein Halleluja angestimmt. Sie sind doch nicht in der Kirche.
Dennoch streckt Lana, als der Mann fertig ist und der Gruppensprecher fragt, ob sich noch jemand zu Wort melden möchte, schnell die Hand hoch.
»Ich habe ein Polizeiauto gestohlen«, erzählt sie. »Von diesem Tucker. Ich weiß nicht mal seinen Nachnamen. Tucker. Ich habe ihn aufgegabelt, hatte Sex mit ihm, und heute früh, als er noch geschlafen hat – na ja, eher bewusstlos war –, habe ich seine Schlüssel genommen und bin mit dem Wagen herumgefahren. Warum habe ich das bloß gemacht?« Ziellos fährt sie mit der Hand durch die Luft, deutet ihren wirren Geisteszustand an, ihre völlige Ratlosigkeit angesichts dessen, was sie da getan hat. »Warum?«
Erschrocken und verlegen merkt sie, dass sie sich ein Lächeln verbeißen muss. Wo kommt das plötzlich her? Selbst jetzt noch, als ihr klar wird, wie selbstzerstörerisch sie handelt, kann sie an dem Vorfall etwas Komisches entdecken. Diese Tatsache verstört sie noch mehr und ruft weiteren Selbstekel hervor. »Ich habe den Wagen zurückgebracht, er wird es nie erfahren, also kein Schaden, nichts passiert. Trotzdem …« Sie denkt daran, dass sie jetzt im Gefängnis sitzen könnte, anstatt zu überlegen, wie sie Fairville entkommen kann. »Tja, das war’s wohl, was ich sagen wollte.«
Im Raum ist es seltsam still. So etwas Schlimmes haben sie vermutlich noch nicht gehört, vermutet sie.
»Möchte noch jemand sonst eine Wortmeldung machen?«, sagt der Gruppensprecher. Er ruft jemanden auf, der hinter Lana sitzt.
»Beim letzten Mal hast du Geld aus der Sammelbüchse gestohlen.«
Lana, die mit ihren Gedanken beschäftigt ist, begreift erst nach ein paar Sekunden, was da gesagt
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