Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
was zu ihrer Stimmung passte, das Wasser war aufgewühlt und wenig einladend. Sie hatten Proviant dabei und aßen an einem Picknicktisch zu Mittag, das Papier, die Plastikbehälter und die Servietten mit Steinen gesichert. Beim Essen waren sie so still, dass eine Meerschwalbe auf dem Tisch landete und nach Krümeln suchte.
»Ich glaube nicht, dass sie wiederkommt«, sagte ihr Vater. »Sie hat große Probleme, die wir nicht lösen können.«
»Ich will sie gar nicht mehr«, sagte Lana. »Wenn sie jetzt, in diesem Moment, zurückkäme, würde ich ihr einen Stein ins Gesicht werfen.«
Das schien ihren Vater noch trauriger zu machen. Er legte eine Hand an den Kopf, als wäre er selbst von einem Stein getroffen worden, weil er nicht wusste, wie er die Verletzungen durch eine grausame Mutter wiedergutmachen konnte. Und trotzdem sehnte er sich nach dieser verrückten, wütenden Frau.
Lanas Vater war beliebt in Fosberg. »Du hast so einen netten Vater.« In ihrer Kindheit hat Lana diesen Satz wieder und wieder gehört. Lester, der Besitzer des Baskin-Robbins-Eisladens, sagte das jedes Mal, wenn sie dort Eis kauften – Erdnussbutter-Fudge für sie, Schokolade für ihren Dad. Sie hörte das von Fremden, für die ihr Vater etwas repariert hatte, von ihren Lehrern nach einem Elternabend. Bob Byrne war höflich, er war interessiert, er erkundigte sich bei den Leuten, wie es ihnen ging, und er konnte sich an das, was sie ihm erzählten, auch erinnern. Aber trotz seiner guten Manieren war er eigentlich schüchtern, wurde niemals laut und erzählte nicht viel über sich selbst. Er war selbstständig, ehrlich, verlangte einen vernünftigen Stundensatz – manche würden sagen, zu vernünftig, denn er war nachgiebig – und war geschickt bei dem, was er tat. Er war nicht attraktiv, aber gut aussehend – nicht allzu kräftig, eins fünfundsiebzig groß, mit einem breiten, freundlichen Gesicht und warmen, dunklen Augen. Seine Haare waren genau wie die von Lana dick, glatt und von einem rötlichen Braun. »Dein Dad ist nicht nur ein feiner Mann, er hat auch das beste Haar in ganz Fosberg«, sagte der Friseur zu Lana. Er hatte außerdem feste Gewohnheiten. Ehe sich ihre Mutter aus dem Staub machte, gingen sie am Samstagnachmittag immer ins Kino und am Freitagabend zum Bowling. Dort trank ihre Mutter, die niemals mitspielte, einen Scotch nach dem andern und unterhielt sich mit jedem, den sie zu fassen bekam. Manchmal verschwand sie für eine Weile und kam am Ende des Abends wieder, ohne zu sagen, wo sie gewesen war.
Nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, bestand Bob Byrnes Leben nur noch aus seiner Arbeit und seiner Tochter. An den Sonntagnachmittagen ging er mit Lana spazieren. Dabei lief sie voraus, kam wieder zurückgerannt, umkreiste ihn, schwenkte die Arme, schimpfte über etwas, erzählte begeistert von etwas anderem, vertraute sich ihm an, während er zuhörte und gute Ratschläge gab. An Schultagen kochte er das Abendessen, und normalerweise war auch Tracee da. Die Mädchen halfen beim Abwasch. Danach saßen sie alle gemütlich um den Küchentisch, Lana und Tracee machten ihre Hausaufgaben, und ihr Dad wid mete sich seinem Hobby, dem Bau von Modelleisenbahnen.
Nach außen hin hatte Lana keine Probleme. Sie war ein leidenschaftliches, kluges Mädchen, das gute Noten schrieb und immer bekam, was es wollte, weil es alle Leute niederdiskutierte. Aber sie schlief nicht mehr. Selbst wenn sie todmüde ins Bett fiel, wachte sie unausweichlich um zwei Uhr nachts auf. Stundenlang wanderte sie durchs Haus. Ihr Vater wusste nichts davon. Als sie elf war, spazierte sie eines Nachts in die Küche, wo ihr Vater eine Flasche Bier stehen gelassen hatte, in der noch ein kleiner Rest war, vielleicht ein halbes Glas voll. Eher aus Neugier trank sie das Bier aus. Und schlief wie ein satter Säugling.
Ihr Vater trank nicht viel, das wurde ihr später klar. Niemand, der gern Alkohol trinkt, lässt etwas in der Flasche zurück. Von da an trank sie immer sein Bier aus, und bald besorgte sie sich heimlich ganze Flaschen und trank sie.
Alkohol, das beste Heilmittel gegen Schlaflosigkeit. Sie behandelte damit das, was sie quälte – die Leere der Verlassenheit, das Gefühl, alles sei irgendwie ihre Schuld gewesen, die Traurigkeit, die sie sich aus Stolz und Zorn nicht eingestehen wollte.
Später in der Highschool trank sie mehr, vor allem auf Partys. Wenn sie angetrunken war, machte alles viel mehr Spaß. Im Schnipsen von Kronkorken war sie ein
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