Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
fiel. »Der Verlierer muss dem Barmann seine Unterwäsche als Trinkgeld geben«, sagte Duke. Er hatte gar keine an, aber das wusste sie nicht. Sie verlor. Sie zog die Unterhose an Ort und Stelle aus (auf dem Fußboden, wo sie inzwischen gelandet war), ohne sich darum zu kümmern, wer das mitbekam. Sie hoffte sogar, die Leute würden sie für ihre Kaltschnäuzigkeit bewundern. Dann ließ sie ihren String auf der Bar liegen, neben den sechsunddreißig Dollar, mit denen Duke die Rechnung bezahlte. Sie gab Duke einen Blowjob, um ihn loszuwerden, und fuhr dann mit dem Auto nach Hause, in heftigen Schlangenlinien, aber sie kam sicher an.
Wenn sie jetzt im Lion jemanden sieht, der besoffen ist, oder hört, wie sich eine Frau in einer Toilettenkabine übergibt, oder wenn sie bloß draußen, beim Luftschnappen, ein Pärchen zu laut lachen hört, wie neulich nachts, dann fällt ihr wieder ein, dass sie sich nicht mehr erinnern kann. Und das haut sie um wie eine Ladung Ziegelsteine.
Die Wahrheit ist schäbig, mehr nicht, aber das weiß sie nicht. Noch immer rätselt sie nächtelang, wie sehr sie sich wohl blamiert hat, und das ist viel schlimmer, als es genau zu wissen. Sich zu fragen, was wohl passiert ist, mit wem es geschah und wie viele Leute davon wissen.
Sie hasst sich selbst. Kein Wunder.
Lana
Als Lana ernsthaft zu trinken begann, verstand sie endlich, wie Alkoholiker provozieren und manipulieren, wie sie manchmal betteln, wütend, feindselig oder verführerisch. Die vom Saufen gedämpften Gefühle geben einem die Freiheit, alles vorzutäuschen. Aber als Kind merkte sie nur, dass ihre Mutter sprunghaft war und unvorhersehbar handelte. Lana, die Beschützerin von Tracee, die viele bösartige Jungs vertrieben hat, hatte Angst vor ihrer eigenen Mutter.
In einer eiskalten Winternacht, als Lana neun Jahre alt war, donnerte ihre Mutter mit der Faust gegen die Tür von Lanas Zimmer. Die Tür sprang auf und flog gegen die Wand. Lana wachte auf wie von einem Elektroschocker getroffen.
»Lass sie in Frieden«, sagte ihr Vater.
»Ich hasse dich!«, brüllte ihre Mutter.
Er zog die Tür zu, und ihre Mutter trat ihm gegen die Schienbeine.
Ein paar Minuten später konnte Lana sie draußen hören. Sie schob sich zum Fenster. Ihre Mutter kämpfte gerade mit ihrer Rolltasche, fluchte, als das Gepäckstück auf dem vereisten Gehweg Schlangenlinien fuhr. Ihre Mutter trat dagegen und fiel auf den Rücken, schimpfte und stürzte erneut, als sie versuchte aufzustehen. Endlich erwischte sie mit den Händen die Hecke und konnte sich hochziehen. Sie zog die Tasche über Schneereste und Grasstoppeln. »Verdammte Scheiße.« Sie schaffte es nicht, den Schlüssel im Kofferraumschloss zu drehen. Endlich klappte es. Sie warf die Tasche hinein und ließ den Kofferraumdeckel krachend zufallen, dann schlug sie beim Einsteigen laut die Tür zu. Als sie aufs Gas trat, geriet der Wagen ins Rutschen, fing sich dann jedoch. Die Rücklichter gingen erst an, als sie schon an der nächsten Querstraße war. Beim Abbiegen schlitterte der Wagen erneut und war dann nicht mehr zu sehen.
Lana schlüpfte aus der Schlafanzughose und kämpfte sich im Dunkeln in ihre Jeans. Dann wartete sie zugedeckt im Bett, tat so, als schliefe sie, als ihr Dad nach ihr schaute – sie hatte gewusst, dass er kommen würde. »Lana«, sagte er leise, und als sie nicht antwortete, gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und ging wieder. Sie wartete noch länger, sie wusste nicht, wie lange. Als sie durch den Flur schlich, hörte sie in seinem Schlafzimmer den Fernseher. Sie zog ihre Snowboots an und verschwand durch die Hintertür. Die kleinen Gärten der Siedlung waren mit Maschendrahtzäunen voneinander getrennt, und sie schlüpfte unter einem hindurch, schob eine Abfalltonne unter Tracees Schlafzimmerfenster, stieg auf die Tonne und kletterte hinein.
Tracee schlief. Lana zog sie an den Haaren.
»Was ist denn?«, fragte Tracee.
»Meine Mom ist fort.«
»Wohin?«
Lana zuckte die Achseln, und Tracee machte Platz, damit Lana sich neben ihr ins Bett quetschen konnte.
Am nächsten Tag schwänzten sie und ihr Vater. Es war seine Idee. »Was hältst du davon, wenn du heute nicht in die Schule gehst und ich nicht in die Arbeit?« Sie zogen sich warm an – eingepackt in mehrere Schichten, wie ihr Dad sagte – und fuhren zwei Stunden bis zur Chesapeake-Bucht. Im Auto und bei dem langen Spaziergang am Kiesstrand entlang redeten sie nicht viel. Es war ein stürmischer, grauer Tag,
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