Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
Ass, sie konnte mit einem Kronkorken quer über die Straße und genau in einen Abfalleimer treffen. Oft forderte sie Jungs heraus, die ihr, wenn sie gewann, das Bier bezahlten. Sie probierte süße Cocktails mit coolen Namen wie »Singapore Sling«. Allerdings war sie vorsichtig und hielt sich zurück, weil ihr Vater immer wach blieb, bis sie nach Hause kam. Aber es war nicht schwer, ihn auszutricksen, weil er ihr vertraute.
Als sie mit einem Stipendium aufs College ging, die University of Maryland am College Park, und dem wachsamen Blick ihres Vaters entkommen war, betrank sie sich jeden Abend.
Und so wurde Lana genau wie der Mensch, dem sie am wenigsten gleichen wollte: ihre Mutter.
28
Jeden Tag machen Rita und Marcel einen Spaziergang, um sich den Sonnenaufgang anzusehen. Eines Morgens bastelt Rita eine Kette aus Wiesenblumen, wie sie das als Kind gelernt hatte. An diesem Abend tragen sowohl Marcel als auch sie bei der Aufführung einen Blumenkranz.
Clayton legt seine Sweatshirtsachen ab und kleidet sich ordentlicher. Er packt sämtliche Hemden, die er seit Jahren nicht angezogen hat, zusammen und bringt sie zum Waschen und Bügeln in die Wäscherei. Leicht stärken, sagt er. Er sucht seine alte Jeans heraus, stellt fest, dass sie noch passt, und dass er, wenn er sie mit seinem geprägten Ledergürtel mit der großen, viereckigen Silberschnalle trägt, gar nicht schlecht aussieht. Im Schaufenster des örtlichen Herrenmodengeschäfts entdeckt er ein dunkelrotes Viskosehemd und kauft es direkt von der Schaufensterpuppe. Vor dem Kauf probiert er es nicht einmal an, weil ihm sein plötzlicher Wunsch, besser auszusehen, etwas peinlich ist. Dann geht er am späten Abend noch in den Supermarkt und entdeckt eine Tube Haargel für Männer. An der Kasse spürt er das Bedürfnis, den Kauf zu erklären: »Wir haben jetzt immer mehr Gäste«, sagt er zu Tami, »da muss ich entsprechend auftreten.«
Aber er weiß, dass er sich in Wahrheit nur für Rita schöner anzieht.
Sie fasziniert ihn. Als sie dem Löwen einen Blumenkranz aufgesetzt hat, konnte er es kaum fassen. Sie ist graziös. Und so ernsthaft. Ein reiner Mensch, denkt er. Nach der Sperrstunde bot er ihr an, sie zum Motel zu fahren, aber sie lehnte ab. Er bietet es ihr jeden Abend an, und jeden Abend lehnt sie ab.
»Nein, danke«, sagt sie. »Das ist sehr freundlich von dir, aber Tim nimmt mich mit.«
Er findet, sie hat untadelige Manieren.
Die Zahl der Gäste wächst weiter. Eines Abends entdeckt Clayton beim Ankommen eine Menschenschlange vor der Tür. Es gibt nur noch Stehplätze, und das alles wegen Rita. Inzwischen betritt sie bei ihrer Vorführung auch den Käfig, und wenn sie drinnen ist, könnte man eine Stecknadel fallen hören. Sie lässt sich von Marcel beschnüffeln, ohne dass die Käfigstangen zwischen ihnen sind.
Rita fällt auf, dass Marcel oft, wenn sie sich ihm nähert, mit einer Pfote nach ihr schlägt. Das macht sie nervös. Er hat kräftige Pfoten und scharfe Krallen. Aber dann überlegt sie, ob er ihr vielleicht etwas mitteilen will, etwas, was er gern tun würde.
Am nächsten Nachmittag steigt sie, ehe der Lion seine Tore öffnet, mit einer Packung Küchenpapierrollen in den Käfig. Sie reißt ein langes Stück ab und hält es ihm hin, wobei sie es mit den Händen spannt. Nach mehreren Versuchen zerteilt Marcel das Papier mit einem Karateschlag seiner Pfote. Das proben sie tagelang. Als sie eines Abends den neuen Trick zum ersten Mal zeigen, tobt das Publikum. Sie bekommen endlosen Applaus.
Rita hebt die Arme und nimmt die Bewunderung entgegen. Dann verbeugt sie sich.
29
An einem Nachmittag leihen sich die Frauen Tims Auto und fahren an einen nahe gelegenen Weiher. »Eine schönere Stelle könnt ihr gar nicht finden«, versichert ihnen Tim.
Rita fährt, während Tracee Tims Wegbeschreibung vorliest. Sie schätzt seine Hinweise auf einen rechtzeitigen Spurwechsel, vor allem beim Linksabbiegen. Und seine Gründlichkeit. Man kann sich unmöglich verfahren, wenn einem jemand genau sagt, wie viele Ampeln man passieren muss. Unterwegs besorgen sie sich bei einem Diner ein Lunchpaket und dazu einen Riesenbecher gesüßten Tee für Lana. Sie ist süchtig nach diesem Getränk, das man hier überall kaufen kann und das Clayton »flüssigen Diabetes« nennt.
Während sie hintereinander auf einem schmalen Pfad durch ein Wäldchen gehen, wundert sich Rita über die seltsamen Kiefern in North Carolina, die ihr Grün oben und unten haben, aber in
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