Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
sind.
»Gar nichts«, sagt Rita. »Nur eine Kleinigkeit.«
»Das ist so niedlich«, sagt Tracee und beginnt zu knabbern. Ein andermal schneidet Rita Mondsicheln aus der Fairville Times, einem vierseitigen kostenlosen Wochenblättchen voll mit Anzeigen und Lokalereignissen, und legt sie ihnen als Überraschung aufs Kopfkissen, jeder Mond sorgfältig schräg gelegt, als hinge er tief und ungerührt am Nachthimmel. Wieder ein anderes Mal bekommt jede von ihnen eine kleine Galaxie – Sterne aus Zeitungs papier. Manchmal finden Lana und Tracee auch einfach eine Wiesenblume oder einen Streifen Kaugummi. Sie lieben diese Geschenke und fangen an, sich darauf zu freuen.
Anders als Rita kann Lana nicht aufhören, über die Vergangenheit nachzudenken. Da sie in Fairville festhängt, bis sie die Reparatur dieses verdammten Autos bezahlen kann, ist sie in eine Falle zwischen der Vergangenheit und der Zukunft geraten. Den entstandenen Leerraum haben Scham und Schuldgefühle eiligst gefüllt.
Nach einer durchzechten Nacht im Januar wachte Lana auf dem Fußboden ihrer Wohnung auf, vollständig angezogen – Stiefel, Minirock, Pullover, Daunenweste. Sie hatte alles an außer ihrer Unterhose. Sie stand auf, und trotz ihrer bohrenden Kopfschmerzen schwante ihr etwas. Sie legte eine Hand auf die Hüfte und ließ sie langsam nach oben gleiten, um den Verdacht zu bestätigen. Sie hatte keine Ahnung, nicht einmal einen Anhaltspunkt, wie ihre Unterhose weggekommen war.
Als Tracee am späteren Vormittag von J. C. nach Hause kam, saß Lana in der Küche, trank Kaffee und aß gezuckerte Cornflakes direkt aus der Schachtel, schaufelte sie sich mit der Hand in den Mund. »Ich muss mit dem Trinken aufhören. Ich muss zu den Anonymen Alkoholikern gehen. Kommst du mit? Ich habe Angst, dass ich sonst nicht hingehe. Ich habe Angst, dass ich einfach dran vor beifahre und mir stattdessen einen Sechserpack Bier kaufe.«
Auf dem Weg dorthin fragte Tracee: »Was ist mit deiner Nase passiert?«
Lana verdrehte den Rückspiegel, um sich zu betrachten. Ihr Nasenrücken war geschwollen, und das Rot nahm gerade eine dunklere Färbung an.
Nachdem sie es geschafft hatte, sieben Tage lang trocken zu bleiben, und sich immer noch an nichts erinnern konnte, dachte sie: Gib dir noch einen Monat. Vielleicht etwas länger. Bis eine Erinnerung zurückkam, das hatte sie gelesen oder in irgendeiner Fernsehsendung gesehen, konnte es dauern. Aber diese Nacht kam nicht wieder. Sie spekulierte: Sex mit jemandem, den sie entweder kannte oder irgendwo aufgegabelt hatte – ein Quickie im Auto, draußen vor der Bar, in dem schmalen Gang vor den Toiletten? –, all das hatte sie schon einmal gemacht. Oder vielleicht etwas, was sie noch nie getan hatte, wie Sex mit mehreren Männern? Einer ganzen Gang. Aber was war mit ihrer Nase? Hatte jemand sie geschlagen? War sie vergewaltigt worden? Sie suchte ihren Körper nach weiteren Verletzungen ab, fand aber keine. Sie machte einen Schwangerschaftstest, einen Aids -Test. Ließ sich auf jede mögliche Geschlechtskrankheit testen, wartete hysterisch vor Angst auf das Ergebnis, das negativ ausfiel, und fand, dass sie diese Qualen voll und ganz verdient hatte. Sie wollte nicht die vielen Lokale, in denen sie gewesen war, abklappern, um zu fragen, was passiert sei. Schon der Gedanke daran war demütigend. Sie fragte sich, ob sie in einer der Bars getanzt hatte. Oder hatte sie gestrippt? Hatte sie ihr Höschen irgend welchen Fremden zugeworfen wie einen Brautstrauß? Was für obszöne Auftritte hatte sie bloß in aller Öffentlichkeit hingelegt?
Tatsächlich war Folgendes passiert: Sie war mit einem Typen namens Duke unterwegs gewesen. Er hatte sie bei Dario’s aufgegabelt, einer Absturzbar im übleren Teil von Baltimore. Er war Biker und zeigte ihr seine Harley mit dem Haifischmaul auf dem Tank. Sie setzte seinen Helm auf. Er war viel zu groß, und als Duke durchstartete und winkend die Straße entlangraste, mit ihr auf dem Rücksitz, fiel der Helm nach vorne und schlug ihr auf die Nase. Blind fuhr sie weiter, hysterisch lachend. Als er endlich wieder vor der Bar anhielt, war sie vor Lachen ganz schwach. Das war das Irre am Trinken: Die Gefühle kamen verkehrt herum heraus. Sie hatte eine Todesangst gehabt, doch anstatt vor Panik zu schreien, hatte sie wie irrsinnig gelacht. Sie wusste selbst nicht, was mit ihr los war.
Danach saßen sie in Darios Bar und tranken einen Schnaps nach dem anderen, um zu sehen, wer zuerst vom Stuhl
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