Drei Hände Im Brunnen
aufgedreht, um Hunger zu haben.
»Was ist los?«, wollte Petro wissen, als er Helenas ungewöhnliche Schweigsamkeit bemerkte. Ich hatte nicht zu fragen brauchen.
»Ich mach mir Sorgen, wenn Marcus einen Mörder verfolgt.«
»Und ich dachte, es läge daran, dass wir Prostituierte überwachen.«
»Marcus hat einen besseren Geschmack.«
Petronius sah aus, als wollte er unflätige Geschichten zum Besten geben, beschloss dann aber doch, unsere häusliche Harmonie nicht zu gefährden. »Es sind ja nicht nur die Prostituierten, die wir beobachten müssen«, bemerkte er düster. In seiner typischen Art hatte er über die Ereignisse der kommenden Nacht gebrütet. »Ich hab mir überlegt, wie viele Leute darin verwickelt sein könnten, wenn die Morde mit den Spielen in Zusammenhang stehen.«
»Jeder, der was mit Transport zu tun hat, meinst du?«, sagte Helena, die immer noch an der Theorie hing, dass der Mörder von außerhalb Roms kam.
»Ja, oder die Kartenverkäufer an den Toren …«
»Programmverkäufer.« Ich ging auf das Spiel ein. »Girlandenflechterinnen, Wettannehmer, Tippgeber, Imbiss- und Getränkehändler.«
»Schirm- und Souvenirverkäufer«, warf Petro ein.
»Ädilen und Platzanweiser.«
»Arenaauskehrer.«
»All die Wagenlenker und Gladiatoren, ihre Stallburschen und Trainer, die Schauspieler, die Komödianten, die Musiker«, fiel Helena ein. »Die Circusangestellten, die die Startgatter öffnen und die Schilder für die Runden umdrehen. Die Sklaven an der Wasserorgel.«
»Der eingebildete Kammerherr, der dem Kaiser die Loge öffnet, wenn der mal pinkeln gehen will.«
»Danke, Marcus! Das gesamte Publikum vom Kaiser abwärts, und nicht zu vergessen die Prätorianer …«
»Halt, halt!«, rief Petronius. »Ich weiß, dass ihr Recht habt, aber ihr deprimiert mich.«
»Das ist das Problem mit den Vigiles«, sagte ich trübselig zu Helena. »Kein Durchhaltevermögen.«
»Es war deine Idee«, hielt sie ihm vor. »Da gibt es andere, die denken, die Morde geschehen nur während der Spiele, weil der Mörder von außerhalb kommt.«
Als es Zeit war, zu unserer nächtlichen Patrouille aufzubrechen, war Petro jedoch taktvoll genug, schon vorauszugehen, damit ich Helena für einen Moment fest in die Arme schließen konnte. Ich küsste sie zärtlich, und sie bat mich eindringlich, auf mich Acht zu geben.
Die Nacht war warm. Das Gelände um den Circus Maximus war voller Abfall und übler Gerüche. Nach zwei Wochen ununterbrochener Festlichkeiten hatten die Straßenkehrer aufgegeben. Auch das Publikum schien erschöpft, denn einige begannen schon abzuwandern, als wir eintrafen, und das lange bevor die Trompeten die Schlusszeremonie ankündigten.
Petronius übernahm heute die Straße der Drei Altäre. Wir fanden, dass Abwechslung uns frischer hielt. Ich klopfte ihm auf die Schulter und ging weiter zum Tempel von Sol und Luna. Am Ende der Straße schaute ich zurück; es dauerte einen Moment, bis ich ihn entdeckte. Trotz seiner Größe war Petro jemand, der unauffällig blieb. Seine braun gekleidete braunhaarige Gestalt mischte sich unter die Menge, während er gelassen auf einen Portikus zuschlenderte wie ein Mann, der jedes Recht hatte, hier zu sein, nichts Besonderes tat und auf niemanden achtete.
Ich wusste, dass er alle weiblichen Passanten registrierte, die gut ausschauenden unter die Rubrik »bemerkenswert« einordnete, aber auch die anderen nicht übersah. Die Gaffer und Herumlungerer entgingen ihm ebenfalls nicht. Er würde zusammenzucken, weil viel zu viele Kinder noch so spät unterwegs waren, würde den Halbstarken finstere Blicke zuwerfen und über die hirnlosen Mädchen stöhnen. Wenn eine unbeschützte Frau oder ein Perverser in Petros Nähe kam, würde er sie bemerken. Wenn jemand zu genau beobachtet, verfolgt, angequatscht oder gar offen angegriffen wurde, würde die schwere Hand von Petronius Longus aus dem Nichts den Kriminellen am Kragen packen.
Ich kam an Mitgliedern der Vigiles vorbei, sowohl offen als solche erkennbar als auch gut getarnt. Ihr Präfekt hatte wohlwollend auf Frontinus’ Bitte reagiert, und die Gegend war voll mit seinen Männern. Aber genau wie wir hatten sie keine Ahnung, nach wem sie eigentlich Ausschau halten sollten.
Ich bog in die Straße der Öffentlichen Fischteiche ein. Mein Herz schlug laut. Dies war die Nacht der Nächte. Ich war mir plötzlich ganz sicher, dass
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