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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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gelaufen und hatte den Weg zurück nicht gefunden. Später sammelte mich Großvater als zitterndes Häufchen aus dem Straßengraben auf. Der Mond stand noch immer am Ende der Korntaler, und Oskar wurde durchgeschüttelt, bis er Rot z blasen heulte. Er schickte mich nie wieder auf den Mond und bekam eine gerechte Strafe.
    Täglich schob ich ihn vor den Kordsamtvorhang und setzte mich aufs Pa r kett. Dann mußte er mir nachsprechen: »Die Katze tritt die Treppe krumm, der Kater tritt sie gerade.« Auch nach etlichen Ve r suchen brachte Oskar den Satz nicht fehlerfrei raus. Er haute mir auf den Kopf und schrie: »Du blöde Schiege!« »Zi e ge« konnte das arme Schwein auch nicht sagen, denn Oskar brachte die Zisc h laute durcheinander.
    Kirchenfenster, Stuckdecke, Theatervorhang, Wintergarten mit Kamin – Großvater hatte alle seine Sehnsüchte und Ideale auf hundertvierzig Quadratmetern zusammengepfercht: Rel i gion, großbürgerliche Lebensart, Kunst und Wohnen im Ko m munismus. Schade war nur, daß nichts fun k tionierte. Im Eßzimmer war es dunkel, der Kamin qualmte, das Flachdach war undicht, und im Laufe der Zeit fiel der goldene Stuck von der Decke. Gustav, der dem real existi e renden Sozialismus zeigen wollte, was eine Harke ist, hatte unsere fetzige Ranch alles in allem ziemlich dilettantisch zusamme n geschustert.

 
    Paradies mit Kaise r kronen
     
    Unser Garten war die reinste Idylle. Weitläufig, romantisch, wild, einfach urig , wie Tante Heidi aus Westberlin immer sagte. »Bei uns ist alles so akkurat und der Rasen auf Kante g e schnitten – nicht so schön!« Vermutlich hätte Großvater auch gern eine akkurate Rasenkante gehabt, aber Gott sei Dank hatten wir keinen Rasenka n tenschneider. Gustav wußte nicht mal, daß es so was überhaupt gab. Ich jedenfalls hatte einen tollen Abenteuerspielplatz mit w u chernden Büschen und üppigen Hecken und viel Wiese, die unordentlich wuchs. Wir hatten Obs t bäume, Walnußbäume, ein Spargelbeet, Kartoffeln, Rosenkohl und grüne Bo h nen. Johannisbeersträucher, eine Brombeerhecke, eine Himbeerhecke, Stache l beerbäumchen und eine Champignonzucht. Die war in einem quadr a tischen Holzkasten mit schwerem Deckel untergebracht. Bei Tageslicht durfte man nie nach den Champignons sehen, denn a n geblich wuchsen sie nur in ständiger Dunkelheit. Großvater ging immer nachts an die Kiste und fingerte in der feuc h ten Erde nach Champignonköpfen. Am nächsten Morgen hatte er schlechte Laune. Es war kaum au s zuhalten, wie er den ganzen Tag mit Grabesmiene durch die G e gend schlich, weil die verdammten Pilze wieder nicht gewachsen waren. Sonst war nichts passiert! Aber Gustav tat, als wäre eine liebe Verwandte g e storben. Wir litten so sehr mit ihm mit, daß wir am Ende selber ganz verzwe i felt waren und sogar au f hörten, am Tage in die Kiste zu gucken. Nicht ein einziges Mal gab es Champignons aus eigener Zucht zu essen, und nach drei erfolglosen Erntejahren wurde aus unserm sch ö nen Champignonbiotop ein Komposthaufen.
    Von der Veranda aus sah man auf eine üppige Trauerweide und einen Seerosenteich mit angrenzendem Kinderplansc h becken. Für den Bau von Teich- und Badeanlage hatte Großvater mehrere Jahre gebraucht. Der Au f wand hatte sich gelohnt. Abends saßen die Frösche auf den Blättern der Seerosen und gaben uns ein Ko n zert.
    Aus den vom Hausbau übriggebliebenen Steinen hatte mir Gustav einen Buddelkasten gemauert. Damit er »nach was aussah«, war das häßliche Beto n quadrat rundherum mit blauweiß karierter, abwaschbarer Folie b e klebt. Daß die Fassade stimmte, darauf kam es an.
    Gleich neben meinem Traumsandkasten wuchs eine drei Meter hohe Sonnenblume mit über zwe i hundert Blüten. Eines Tages kam ein Mann mit Fotoapparat. Ich mußte mich mit Großvater neben die Sonnenblume stellen, und wir wurden mehrmals hintere i nander in verschiedenen Positionen geknipst. Wie im Studio. Am nächsten Tag erschien neben unserm Bild ein Artikel in der Loka l zeitung: »Diese drei Meter hohe Sonnenblume mit über zweihundert Blüten steht im Garten von Gustav Voss in Be r lin-Blankenburg. Seine Enkeltochter Bastienne hat die Samen von einer gemeinsamen Moskaureise in ihrer Jackentasche mitg e bracht. Opa Voss hat dann zu Hause zusammen mit der Kleinen die Kerne in die Erde gesteckt...« Großvater war wahnsinnig stolz auf den Artikel. Wahrscheinlich hatte er den Mann von der Zeitung selber angerufen. Mir war der ganze Zirkus mit der Sonnenblume

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